preloder

Zwischen Abschied und Neuanfang

In meinem Umfeld passiert gerade ein großer Umschwung. Wir fangen alle einen neuen Weg an. Das erste Ziel ist seit dem 17/06/2016 geschafft. Spannend was die Leute anfangen werden mit denen du Jahrelang auf einer Straße gegangen bist. Ich hoffe, dass sich die Wege nicht zu weit entfernen, sodass noch Sichtkontakt herrscht. Wer hätte gedacht, dass der Abschied so schwer wird? Allgemein bin ich jemand der sich oftmals schwer von Sachen trennt. Wobei ich mich auch schnell für neue Dinge begeistern kann. Ich kann mir noch absolut nicht vorstellen wie die neue Straße aussehen wird. Ich wünsche mir gar nicht, dass alles glatt läuft, manchmal ist es sogar beruhigend und menschlich, wenn Sachen auch mal schief gehen und man versucht die Straße zu reparieren auf der man geht. Das macht es doch umso spannender.
In letzter Zeit hatte ich viele Gelegenheiten in Erinnerungen zu schwelgen und vergangenes nochmal auf den Schirm zu rufen. All die letzten Jahre nochmal zu verinnerlichen. Manches vielleicht verarbeiten, was man verdrängt hat. Mit manchen Dingen endgültig abschließen. Über lustiges und peinliches wieder zu lachen. Über manches wieder sauer sein und gleich danach wieder durchatmen und weitergehen. Sich auch mal erlauben traurig zu sein, über das was man selber verbockt hat. Sich auch mit anderen zusammen an tolle Tage zu erinnern. All das schafft einen neuen Grundstein für die neue Straße die man einschlägt.
Lasst euch niemals von eurem Weg abbringen, wenn es für euch das Richtige ist.
Und bringt niemanden von seinem Weg ab nur, weil ihr nicht zufrieden seid.

Es geht darum was du daraus machst – 4. Kapitel

Meine Hände zitterten und meine Knie wurden weich. „Tanja was ist eigentlich gestern Abend passiert?“, Mila schaute mich fragend an. Ich starre meine Hände an und konnte nicht aufhören zu zittern. Ich atmete ganz tief durch, schlucke und richte meinen Blick gerade aus: „Gestern Abend beschloss ich meinen freien Freitag zu nutzen und um die Häuser zu ziehen. Ich war bei Rick in der Bar, wie immer und er, der Blödmann, er hat mir eine Predigt gehalten, genauso eine wie du am Nachmittag.“, Mila drehte sich kurz zu mir mit verdrehten Augen, „Jedenfalls bin ich dann spazieren gegangen zu all meinen Lieblingsplätzen und landete irgendwann hier“.

„Aber … mit den Schuhen?“, Mila blickte mich wieder fragend an, „Warum Tanja?“

Darauf hatte ich keine Antwort aber ich erzählte ihr von meinem verrückten Traum. „Ich sag jetzt einfach mal, dass ist das erste Zeichen, dass du wieder Arbeiten musst.“, sie lachte. „Sehr witzig Mila.“, ich atmete abermals tief durch aber es brachte nichts ich zitterte am ganzen Leib. Mila schaute mich an: „Was ist bloß los mit dir?“

„Ich kann einfach nicht aufhören zu zittern.“

Plötzlich kam alles wie aus einem gebrochenen Damm. Ich heulte, wieder mal, wie ein Kind.

„Schatz beruhige dich, alles gut.“, Mila klammerte sich mit beiden Händen ans Lenkrad und presste die Lippen fest zusammen. Sie hielt am Straßenrand an, stieg aus, ließ ihre Tür offen. Die kalte Luft strömte unmittelbar ins Auto, bei meiner Seite angekommen öffnete sie auch diese und nahm meine Hand. Ich stieg aus und sie nahm mich einfach ganz fest in den Arm. „Tanja wir alle können nicht verstehen was du durchmachst aber wir lieben dich. Ich liebe dich. Dein Bruder Mike liebt dich. Gabriel liebt dich. Elijah liebt dich immer noch. Deine zehn Mitarbeiter lieben dich und noch so viele mehr. Und du liebst uns auch. Deswegen müssen wir füreinander da sein egal wo der andere auch sein mag, ob auf Reisen oder einem Trip der anderen Sorte. Verstehst du? Du musst einfach loslassen. Wir fangen dich auf.“, flüsterte Mila mir ins Ohr. Ich drückte sie noch fester an mich und vergrub mein Gesicht in ihren blonden Locken. „Mila …“, ich schluchste laut auf.

Wir standen noch eine Weile am Straßenrand bis ich mich beruhigt hatte. Es wurde schlagartig sehr kalt. Ich hatte nur mein kleines Schwarzes an und einen langen grauen Kaschmir Cardigan, den Mila zum Glück noch im Auto hatte und natürlich meine High-Heels. Ich lehnte mich an einen Baum. Meine Füße brannten höllisch. Ich hatte riesige Blasen an den Fersen bekommen. Meine Haare sahen einfach nur schrecklich aus, als hätte ich drei Tage nicht geduscht und gleichzeitig währenddessen in die Steckdose gepackt. Der Himmel wurde dunkel, Wolken zogen auf. Es wurde windig. „Komm wir fahren, es regnet sicher wieder gleich.“, sie schaute mich aufmunternd an. Ich nickte nur. Mila war schon wieder in der Wohnung eingezogen und wich mir nicht mehr von der Seite. Nach einer Peperoni-Lieferpizza ließ ich mir ein Bad ein, legte mich anschließend ins Bett und las ein wenig. Mila kam rein und setzte sich an die Bettkante. „Morgen ist Sonntag. Hast du was vor?“

„Möchtest du wissen, ob ich vor habe Amok zu laufen?“

Sie lachte: „Nein, um Gottes Willen, nein. Ich dachte wir betreiben etwas Online-Shopping und du rufst Mike und deine Eltern an.“

„Das hört sich doch vielversprechend an.“, ich lächelte sie nickend an.

„Gut Tanja. Gute Nacht.“

Sie legte mir die Hand tröstend auf die Schulter und machte die Tür hinter sich zu.

„Hallo Mike.“

„Tanja? Bist du es?“

Ich schluckte und schloss meine Augen.

„Ja ich bin es. Wie geht es dir?“

Lange Pause.

Mike schluckte: „Gut soweit. Veronika und ich haben ein hübsches Häuschen gefunden.“

„Wow das freut mich.“, ich friemelte am Teppich rum.

„Ja aber das ist egal. Wie geht es dir?“, er redete nun langsamer und leiser weiter, „Ich konnte dich überhaupt nicht erreichen.“

„Vielleicht wollte ich das so.“, mein Hals wurde trocken.

„Ist mir schon klar, dass das dein Plan war. Hast du dabei mal an uns gedacht? Ich will dir gar keine Vorwürfe machen. Ich bin einfach froh von dir zu hören. Hast du Mum und Dad schon angerufen?“

„Noch nicht, aber ich hatte es gleich vor.“

Mila schaut mich aufmunternd an.

„Grüß Veronika von mir.“

„Sie hört gerade mit. Ich hoffe das macht dir nichts aus, aber sie macht sich auch Sorgen.“

„Nein, nein schon in Ordnung, es ist ja meine Schwägerin, stimmt’s Veronika?“

Man hörte an der Stimme, dass sie weinte: „Komm uns bitte bald wieder besuchen. Die Kinder vermissen ihre Tante.“

Ich musste mich erstmal sammeln, damit, dass Veronika weinte hatte ich nicht gerechnet.

„Ehm.. ja … ja Veronika werde ich ganz bald machen. Dann grillen wir wieder.“, meine Augen wurden feucht, ich legte den Kopf zurück in der Hoffnung, dass die Tränen von selber wieder zurück laufen würden. Sie schluchste, es kam nicht gleich ein verständliches Wort heraus: „Ich freue mich so, Tanja.“

Man hörte jetzt deutlich wie sie weinte. Einer ihrer Kinder murmelte etwas, Veronika antwortete nur es sei alles gut. Mike nahm das Telefon wieder. Meine Augen wurden feucht und meine Unterlippe zitterte, ich schaue Mila an in der Hoffnung, dass sie mir hilft. Sie deutet mir Stark zu bleiben.

„Tanja bist du noch dran?“

Ich räusperte mich und wechselte die Sitzposition auf dem Teppich: „Ja Mike ich bin noch da.“

Er sprach wieder sehr leise: „Tanja wir warten alle auf dich bei uns zuhause. Mila kann auch kommen, wenn sie mag.“

„Danke Mike, ich werde kommen.“

Mila lächelte zufrieden, dass man sie auch eingeladen hatte.

Mein Bruder Mike ist zehn Jahre älter als ich, hat eine wunderschöne Frau namens Veronika, hat zwei Lausebengel als Söhne und wie er gerade berichtet hat werden sie bald ein Haus kaufen. Mike ist Architekt, also wird das Haus ein Traum so wie ihre Wohnung jetzt, da bin ich mir sicher.

Er ist etwas kleiner als Veronika aber es stört sie nicht, er hat eine natürliche Bräune und die gleiche Augenfarbe wie ich – dunkelgrün. Sein drei-Tage-Bart ist ein Muss und er redet immer so leise. Mike hat immer auf mich aufgepasst und besonders in meiner rebellischen Phase, da hat er mich immer abgeholt und auf mich eingeredet ich soll weniger trinken und kiffen. Dann lernte ich Elijah kennen und Mike konnte sich entspannen. Jetzt musst du auf sie aufpassen, hatte er ihm gesagt als er Elijah kennen gelernt hat. Elijah hat erst viel später verstanden was genau Mike damit gemeint hat. Er wollte sich eigentlich nicht von mir trennen, aber in meiner Verfassung fand ich das für angebracht. Buchstäblich ein paar Tage später traf ich Gabriel, als ich mit meinem Bruder auf einer Hausbesichtigung war. Ich wollte nichts mit Männern zu tun haben, sondern erstmal mit mir selber klarkommen. Zu dem Zeitpunkt war alles noch nicht so schlimm. Gabriel ließ aber nicht locker und besuchte mich oft im Laden, auch wenn ich ihm immer wieder sagte, dass ich nichts von ihm will, was natürlich eine Lüge war. Ich verliebte mich nämlich sofort in ihn. Wir einigten uns darauf erstmal Freunde zu bleiben bis ich wieder ich selber war. Das konnte natürlich nicht lange gut gehen. Gabriel wollte mehr, ich auch – aber für mich ging das einfach nicht. Ich habe mir eingeredet ich muss alleine mit meinen Problemen klarkommen und die anderen können mit nicht helfen, sollen mir nicht helfen. Also beschloss ich das alleine zu schaffen und bat Mila für ein paar Tage auszuziehen. Daraus wurden zwei Wochen. Ich habe gemerkt wie traurig ich damit alle gemacht habe und ich will selber nicht mehr traurig sein. Schließlich können wir das ja selber entscheiden.

„War doch ganz einfach.“, sagte Mila nach dem Gespräch mit meinem Bruder.

Ich lachte etwas verkrampft: „Ganz einfach.“

Ich rief auch meine Eltern an. Natürlich brach meine Mutter in Tränen aus. Wir sprachen über mich, wie es weitergeht (und zwar so wie früher, es wird fleißig gearbeitet). Wir redeten über das miese Wetter (es regnete schon wieder), über Fußball (mein Vater ist ein großer Fan und wollte ich stets auf dem neusten Stand halten). Sie fragten nach Mila, nach dem Saftladen, wie es läuft, machten Witze zusammen. Mila war für sie wie ihr drittes Kind. Wir verabredeten uns am nächsten Freitag im Laden zum Frühstück. Ich war mehr als erleichtert, dass es so einfach war, wieder mit meinen Eltern zu reden. Ich merkte wie alleine ich war und wie sehr ich meine Freunde und Familie brauchte. Um Gabriel oder geschweige denn Elijah anzurufen war ich noch nicht so weit, immer eins nach dem anderen. Für den Augenblick war ich zufrieden den ersten Schritt zu mir selbst gemacht zu haben.

Nächstes Kapitel

Es geht darum was du daraus machst – 3. Kapitel

Ich schlenderte durch die Nacht, durch die Stadt, es war mehr als kalt und verdammt unbequem auf den hohen Schuhen doch trotzdem ging ich zu allen besonderen Plätzen in meinem Leben. Ich ging zum Laden wo ich arbeitete, es hat mir so gefehlt. Ich ging zur Uni, wo ich mein Jura Studium anfing und wegen dem Laden wieder schmiss. Ich ging zu meiner liebsten Boutique, mein halber Kleiderschrank ist von dort. Wann war ich das letzte Mal da? – Schon zu lange her. Ich ging zum Haus meiner Eltern, wo ich aufgewachsen bin. Ich ging zur Wohnung meines Bruders, also daran vorbei. Ich ging zum Park, wo ich die meiste Zeit mit meinen Freunden verbrachte. Ich ging in die Innenstadt, an allen Clubs und Bars vorbei, früher war ich jedes Wochenende betrunken hier auf und ab gehüpft zur Musik, die man noch aus den Clubs hören konnte. Manchmal bin ich gestolpert und gefallen Mila und die anderen haben mich immer ausgelacht und Eliajh hat mich dann immer wieder hochgehoben und ein Kuss auf die Stirn gegeben und gefragt ob ich lieber nachhause will. Ich rülpste, die Mädels jubelten und ich tanzte weiter. Gott, ich war so peinlich kein Wunder, dass er das Weite gesucht hat. Aber auf meinem Ausflug sah ich genug Mädels die genauso peinlich waren. Ein junger Mann kam schwankend auf mich zu: „Baby, Baby warte! Komm her!“. Ich schubste ihn weg, er fiel und lachte. „Was gibt es da noch zu lachen?“, murmelte ich vor mich hin. Ich lief ein paar Schritte, schaute nochmal hinter mich, atmete tief durch und ging wieder normal weiter. Die Innenstadt verlassend ging ich zur Spree. Ich setzte mich auf eine Bank und atmete die noch vom Regen feuchte Luft ganz tief in meine Lunge. Ein Schauer lief mir über den Rücken. Die Stadt blinkte, leuchtete, pulsierte, lebte. Was tat ich die letzte Zeit? Genau das Gegenteil. Kurz bemitleidete ich mich selber aber dann wollte ich mich plötzlich fast selber schlagen, weil es ja in meiner Hand lag. Ich lachte den Kopf schüttelnd. Es hörte auf zu Regnen und die Vögel wurden wach. Die Sonne legte sich langsam über die Dächer und meine Augen wurden ganz schwer.

Ich fand mich auf einem riesigen Feld. Der Himmel grau. Wind bläst mich fast um. Ich stemme mich mit aller Kraft dagegen. Wende meinen Kopf zur Seite und sehe einen Drachen steigen. Ich strecke meinen Kopf höher um den Drachen besser sehen zu können, war wie im Rausch. Ich wehrte mich nicht mehr, wollte mich einfach fallen lassen, doch stattdessen bin ich einfach abgehoben. Ich flog genau wie der Drache. Und ich war auch nicht mehr auf dem Feld, sondern über der Stadt. Es war hell und ich konnte alle Leute sehen wie sie ihrer Arbeit nachgingen. Ich flog immer höher und kam rückwärts mit dem Hinterkopf im Wasser auf. Das Wasser zog mich immer weiter nach unten, oben sah ich noch die Stadt. Das Wasser war dunkel man konnte nichts sehen. Je tiefer ich sank, desto weniger Luft bekam ich. Ich strampelte wild mit Armen und Beinen aber ich sank immer weiter. Bis ich dann mit dem Rücken auf Asphalt landete. Ich spürte den Aufprall in jedem Knochen, hustete Wasser aus. Ich stand auf und sah nichts um mich herum außer die Straße und nichts als Einöde. Man konnte nichts am Horizont erkennen. Die Sonne knallte von oben. Das Licht stach in meine Augen und behinderte die Sicht. Ich versuchte der Straße zu folgen, doch kam immer wieder ab und ging immer neben ihr her. Meine Füße bluteten von den Steinen am Wegesrand, der Schweiß floss, wie ein Wasserfall an mir runter. Irgendwann hatte ich keine Kraft mehr und konnte nur noch kriechen. Es wurde immer schwerer bis ich mich schließlich einfach hinlegte und die Augen schloss.

Die Vögel zwitscherten immer lauter, ich sprang von der Bank und hielt mich am Kopf der zu zerplatzen drohte. Was zur Hölle mache ich hier? Es war hell, die Sonne schien und auf dem Handy stand sieben Uhr. Ach du scheiße… Ich habe die ganze Nacht hier geschlafen. Ein Wunder, dass ich nicht beraubt wurde. Ich erinnerte mich an meinen Traum, ich fühlte mich so leicht, wie betäubt, mir war alles egal, so als wäre es selbstverständlich über Häuser zu fliegen. Warum habe ich solche Kopfschmerzen? Ich habe gestern nichts getrunken. – Also für meine Verhältnisse nichts. Ich fühlte mich so alleine, ich wollte nicht alleine sein. Ich rief Mila an und bat sie mich abzuholen. Sie war total verwirrt, als ich berichtete wo ich gelandet bin, aber sie kam sofort.

Nächstes Kapitel

Es geht darum was du daraus machst – 2. Kapitel

Solange ich noch Sturmfrei hatte und der Freitag noch nicht ganz zu Ende war, nutze ich doch meine Gelegenheit und zog um die Häuser, wie man das so schön sagt. Ich lackierte mir meine Nägel in einem feurigen rot, lockte meine blonden Haare, rasierte meine Beine, schminkte mich nach Monaten mal wieder ordentlich inklusive rote Lippen, zog ein verboten enges schwarzes knielanges Kleid an, goldene Ohrringe, Clutch und das wichtigste: Spitze rote hohe extrem unbequeme High-Heels. Ich lächelte mich selbst im Spiegel an und fühlte mich gut. Natürlich musste es immer noch regnen. Es ist schon ein wenig komisch alleine abends etwas zu unternehmen aber mal sehen wie lange ich wirklich alleine bleibe.

Ich ging in meine Lieblingsbar wo mich der Barkeeper schon am Klang meiner Schuhe erkannte und ich nicht mal bei der Theke angekommen sein musste damit mein Drink dort schon stand – Gin Tonic. Vielleicht habe ich es mit dem Outfit etwas übertrieben aber ich wollte auffallen. „Tanja! Hab dich ja schon Ewigkeiten nicht mehr hier gesehen. Du siehst mega aus!“, Rick, der Barkeeper.

„Hey Rick, schön dich zu sehen. Ja… ich… ich hatte viel um die Ohren“, ich atmete laut aus, „kompliziert…keine Ahnung.“

„Verstehe“, er musterte mich aufmerksam, „aber nicht so kompliziert, dass Alkohol es nicht lösen kann oder?“, er grinst liebevoll und hält mir die Flasche hin, „Heute vielleicht etwas Stärkeres? Zum Beispiel Wodka?“

„Rick du bist der beste! Genau das brauche ich.“

Ich lachte und er schüttete uns zwei Pinnchen Wodka ein und wir tranken, ich schob mir schnell ein Stück Zitrone in den Mund. Nach ein paar Runden und einigen netten Gesprächen mit den anderen Stammkunden wurde ich lockerer, was Rick merkte und versuchte mit mir zu reden: „Sag mal Tanja, wo warst du die letzten Wochen? Ich habe übrigens Eliajh ganz schön oft hier gesehen. Alleine. Hat sich immer die Kante gegeben und erwartungsvoll zur Tür geschaut. Hat sich nach dir erkundigt, tja aber ich konnte ihm auch nicht helfen, weil du dich ja nicht blicken lässt.“ Ich schaute ihn an, er blickte mich mitfühlend an und schüttelte den Kopf. „Gabriel…er hat mich hier in der Bar sogar angerufen und gefragt ob du da bist, weil er dich nicht erreichen konnte. Nicht nur einmal. Mit Gabriel hätte es so schön werden können Tanja… Du hast ihm auch nichts erklärt oder? Mensch… Ich habe auch keine Ahnung es tut mir so leid aber ich bin so sauer. Ja sauer. Schau mich nicht so an! Du kannst uns das doch nicht antun. Einfach verschwinden.“, selbst wenn er wie er sagt sauer ist blieb er ganz ruhig und sprach sanft zu mir.

„Rick! Heute sollte eigentlich mein Comeback werden. Ich wollte mir keine Predigt von dir anhören. Ich bin zum Feiern hier. Wenn du es unbedingt wissen willst – ich war zuhause. Genau, einfach zuhause hab mich eingesperrt und mit niemanden kommuniziert. Ich hatte Probleme mit mir selbst. Geht dich nichts an verdammt nochmal!“, ich wurde lauter als ich wollte.

„Du brauchst nicht zu schreien Tanja, ich stehe direkt vor dir.“

„Ach halt doch die Fresse“, ich drehte mich um und machte einen filmreifen Abgang, die Leute grölten und applaudierten mir aber nur, weil sie nicht wussten worum es ging – und natürlich, weil sie betrunken waren. Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen. Ich rief mir ein Taxi und wollte einfach nachhause. Obwohl da war ich schon die ganze Zeit, langsam wird es Zeit für Abwechslung. Das Taxi hielt vor mir an, ich machte die Tür auf: „Hab’s mir anders überlegt“, es fuhr weiter, der Fahrer schüttelt nur den Kopf. Zufriedenen und mit geöffnetem Regenschirm ging ich die Straße entlang.

Im Leben geht es nicht darum was dir passiert, sondern wie du damit umgehst – was du daraus machst. Mir ist nichts Schönes passiert, was spielt für die Geschichte keine Rolle, da kann jeder rein interpretieren was er will. Das Problem ist wie ich damit umgehe. Ich weiß und ihr wisst, dass meine Freunde recht haben. Es ist nur so verdammt schwer stark zu sein, wenn alle es von dir erwarten, weil du es bisher immer warst, aber du einfach nicht mehr stark sein kannst. Irgendwann ist die Kapazität ausgeschöpft und man will einmal schwach sein. Leute sind dann völlig perplex, weil du immer die starke Frau warst und den anderen immer in einer schwachen Minute in den Arsch getreten hast, weil du es immer warst die über Weicheier gelacht und sie nie verstanden hast. Jetzt bin ich selber eins. Weich. Schwach. Kaputt.

Nächstes Kapitel

Frühlings Zwischendruch

Sie schläft noch….

Mit jedem Schritt spürst du es mehr und mehr. Du spürst den Wind im Gesicht wie er dir deine Haare zerzaust, wie die schnelle Luft um deinen Körper strömt. Nur wer sich wirklich traut der blüht, denn die bunten Farben der Blumen sehen noch etwas unbeholfen in der kargen Umgebung aus. Sie sind das erste Zeichen, dass sie Natur erwacht, dass sie sich streckt und schöpft neue Kraft. Man spürt es in der Luft, die Luft die sich langsam in der Sonne wärmt, die Sonne die nur durch die schweren dungelgrauen Wolken kommt, wenn sie sich viel Mühe gibt. Du atmest tief ein und saugst alles in dich ein. Du öffnest deinen Blick und siehst hin. Siehst noch braune Wiesen, braune unbepflanzte Felder, in der Ferne tiefgrüne Wälder. Die Bäume berühren schon fast den Himmel mit ihren Kronen. Du schaust dich weiter um und hörst hin. Hörst die Vögel lauthals zwitschern, sie können es kaum noch abwarten bis alles erwacht und erblüht. Hörst die Äste unter deinen Schuhen brechen, hörst den Wind wie er alles rascheln lässt, hörst ein Hundebellen, ein Lachen, ein Gespräch von den vielen die genau das gleiche wie du vorhaben. Die Sonne strahlt sie an und lässt die Sonnenbrille ihren Zweck erfüllen und die Zähne weißer strahlen. Noch sieht alles müde und grau aus nur wer aufmerksam ist sieht, dass sie langsam die Augen aufmacht, blinzelt und aufstehen will.