Die folgenden Zeilen schrieb ich am fünfundzwanzigsten November zweitausendneunzehn morgens, direkt nach dem ich an der Uni angekommen bin, in einem runter. Seitdem ruhte dieser kurze Text auf meinem Tablet und letztens entdeckte ich ihn wieder und war schockiert, dass ich mal an so einem Punkt war, die Dinge so zu sehen. Mittlerweile weiß ich ungefähr woran es lag, aber auch nicht gänzlich. Jedenfalls ist Zeit vergangen und vieles ist passiert, ich habe an mir gearbeitet, um aus diesem Loch zu kommen und ich kann jetzt sagen – die Person, die das geschrieben hat, das bin nicht mehr ich. Und ich bin froh darüber.
Ich sitze in der Bahn und sehe kein lachendes Gesicht, außer eine Mutter mit ihrem Kind. Angekommen an der Uni sehe ich nur müde, erschöpfte und überforderte Studenten. Auf der Toilette telefoniert ein Mädchen und berichtet von ihrem Versagen bei einer Prüfung. Draußen auf dem Hof am FFF-Stand stehen sie und rauchen, sehr futuristic.
Nur traurige und müde Gesichter, obwohl wir schon späten Vormittag haben. Heute beginnt der Weihnachtsmarkt hier in Köln, aber es ist Montag, also recht wenig los. Ich schaue durch die Stadt, es ist dunkel und kalt und keiner hat was zu lachen. Ein Penner steigt in die Straßenbahn und verpestet die Luft mit seinem Alkoholatem. Es ist düster – ich bin düster. Ausgestiegen aus der Bahn habe ich noch einen kleinen dreiminütigen Fußmarsch vor mir, bis zu meiner Fakultät. Die kalte Luft trifft mein Gesicht, langsame Studenten trotten vor mir her, ich trotte hinterher. Sie biegen nach links, über die Kreuzung, ab und ich gehe weiter gerade aus. Und ich versuche mit aller Kraft, die noch in mir ist, mir das Weinen zu verkneifen und den Kloß im Hals einfach runter zu schlucken. Zu müde, um mir einzureden bessere Laune zu haben, das gute und schöne in der Umwelt zu sehen, sehe nur das karge und schlechte. Versuche lediglich das Weinen zu unterdrücken. Denn wenn ich anfangen würde, dann würde ich mich gar nicht mehr halten können, wäre völlig aufgelöst und zu nichts zu gebrauchen, aber das geht nicht – ich habe keine Zeit dafür. Ich muss funktionieren, Dinge erledigen, Dinge endlich beenden. Würde am liebsten mit niemanden reden, mich einfach mal für einen Monat unter einer Decke verkriechen und dann einen Monat lang in der Sonne brutzeln. Würde es mir danach besser gehen? Vielleicht für einen Augenblick, bis eine Kleinigkeit passieren würde, die mich wieder aus dem Konzept bringt. Ich bin in einem labilen Zustand, der jede Minute droht zu stürzen. Vor drei Tagen schien alles noch besser zu werden, heute bin ich wieder an dem Punkt, an dem ich vor Wochen war, ein tiefer Rückschlag. Ich habe auch zu gar nichts mehr Lust – eher nirgends mehr hinzugehen, mich nicht mehr zurecht zu machen, nichts mehr zu machen, mit niemanden zu reden – weil alles viel zu anstrengend ist. Alles wirft mich aus der Bahn, alles ist zu viel für mich. Aber ich muss funktionieren, ich muss Sachen erledigen, Sachen abgeben, Verantwortung übernehmen.
Kein joy mehr in meinem life. Alles ist sad. Nichts macht mehr Sinn. Nichts hat eine Bedeutung. Alles ist leer. Ich bin leer. Ich will hier raus. Ich will wieder so sein wie ich eigentlich bin.
Warum ist das Leben so frustrierend? Soll ich alles loslassen was mich hält? Hätte ich das alles schon viel früher machen sollen? Weil mit jedem Tag verstrickst du dich nur tiefer in den Tunnel und kommst nur schwerer raus.
Wenn jeder Tag einfach nicht dein Tag ist und du dich auf absolut gar nicht konzentrieren kannst und nur noch müde bist, egal wie lange du schläfst und dich Alpträume plagen. Wenn es dich einfach nicht mehr interessiert wie du aussiehst, was du isst, ob heute dein Geburtstag ist oder der von einem deiner Liebsten – weil das alles bedeutungslos ist.
Wenn du einfach kein Bock mehr auf die Scheiße hast und so sauer bist, dass du dich fühlst wie du dich fühlst, nicht weißt warum und willst, dass die Rotzescheiße endlich aufhört.
Wenn du dir einfach ein bisschen Liebe wünschst.
Wie absurd: diese hoch emotionalen, persönlichen Worte schreibe ich, inmitten von fleißigen Studenten in der Bibliothek, die entweder lernen oder ihre Hausarbeit schreiben oder sich in sonst irgendeiner Weise weiterbilden oder was für die Uni erledigen müssen. Und ich sitze hier und heule nicht physisch, sondern ja nicht mal auf dem Papier, sondern digital. Durch getippte Worte kotze ich mich aus, lasse meinem Frust freien Lauf und keiner merkt es.
Alles Schöne hat seine Bedeutung für mich verloren. Der Sternenhimmel, die kalte Winterluft am Morgen, Corgis, schlicht die Natur, schlicht schöne Menschen, ein Sonnenuntergang, eine spannende Kombination aus zwei oder mehr Wörtern, Musik, Mode, Schmuck, Filme, Literatur.
Jetzt mit fast einem Jahr Abstand verstehe ich, dass das klar nichts Schönes war, aber auch nichts Tragisches. Es war ein Prozess, den ich durchlaufen habe, welcher mir geholfen hat, heute an dem Punkt zu sein, an dem ich heute bin. Es hat mir gezeigt, was aus meinem Leben gestrichen werden musste und was ich stattdessen brauche. Und mittlerweile habe ich auch verstanden, dass es nicht mehr darum geht so zu sein wie früher – was ich die ganze Zeit wollte – sondern es geht darum sich weiter zu entwickeln und manchmal auch jemand neues, jemand besseres zu werden. Es hat mich viel Zeit und Nerven gekostet dieses Mindset zu haben ‚wieder so zu sein wie früher – unbeschwert, lustig und frei‘ – jetzt haben sich die Dinge geändert, aber das ist ja nicht unbedingt was Schlechtes – ganz im Gegenteil, kann ich erst dadurch wachsen.