Nachmittags, wenn alle Kinder mit ihren großen Rucksäcken von der Schule
Nach Hause schlendern und dabei laut lachen,
Stehst du am offenen Fenster, mit Kissen unter den Ellbogen und schaust.
Schaust, wie die Leute von der Arbeit kommen, wie sie einkaufen gehen,
Wie sie sich unterhalten und du selbst –
Schweigst und schaust.
Jeden Tag siehst du ungefähr das selbe. Nur ab und zu passiert etwas
Unvorhergesehenes und davon lebst du. –
Deine Wohnung interessiert dich nicht.
Dein Leben interessiert dich nicht.
Dich interessieren nur die Menschen, die an deinem Fenster vorbeikommen.
Aber eigentlich auch nicht so wirklich –
Es interessiert dich nicht, ob sie glücklich sind oder ob sie morgen sterben.
Es interessiert dich nur, dass du was zum schauen hast.
Jemand fällt, jemand spricht, jemand tanzt, jemand streitet, jemand verschüttet etwas.
Jemand fährt vorbei, jemand malt, jemand geht vorbei, jemand sitzt, jemand schreibt.
Jemand beobachtet (dich), jemand humpelt, jemand musiziert, jemand applaudiert.
Jemand spielt, jemand trinkt, jemand isst, jemand bellt, jemand putzt sich die Nase.
Jemand niest – Gesundheit!
Manchmal grüne Gräser, bunte Blumen, singende Vögel, ein Eiswagen, Flip-Flop-Geräusche, Tauben, Löwenzahn, dann Pusteblumen, Blüten an den Bäumen, dann Blätter, erst grün, dann orange, rot, lila, gelb und braun.
Es fällt dir auf wenn sich die Welt ändert, wenn die Jahreszeiten vergehen, aber auch nicht wirklich. Es fällt dir auf, aber du empfindest nichts.
Du empfindest schon lange nichts mehr.
Keine Freude, keine Trauer, keine Wut, kein Ekel, kein Frust, keine Ruhe, keine Euphorie, keinen Zorn, keine Geduld, keine Ungeduld, kein gar nichts.
Dich kommt schon lange keiner mehr mehr besuchen. Das einzige, was du noch hast, ist dein Fenster – es ist dein bester Freund und dein schlimmster Feind.
Glücklich bist du damit nicht,
aber wenigstens hast du noch was zum schauen.
Du siehst die graue Straße, die grauen Autos, die grauen Pullover, die grauen Mäntel und Taschen, die grauen Gebäude gegenüber. –
Du schaust in eine graue Welt
Und trotzdem bist du zufrieden,
Weil du wenigstens was zu schauen hast
Was dich löst von deinem grauen Geist.