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krimi zwischendurch – kapitel 8: erster klarer blick

„Der unsichtbare Kölner – der Polizeiskandal 2018“ titelte die Bild.
Durch anonyme Quellen fanden wir heraus, dass uns die Polizei die ganze Zeit an der Nase herumgeführt hat: Dass der angeblich gefasste Serienmörder, der zehn junge Frauen, welche nur höchstens achtundzwanzig Jahre alt waren, getötet hat, in Wirklichkeit immer noch auf freiem Fuß ist. Ganz richtig gehört – er läuft immer noch frei rum – der momentan Gefasste ist mutmaßlich ein Trittbrettfahrer und psychisch krank. Sein selbst gewählter Name ist Kurat, was auf isländisch Teufel heißt – passend oder?
Die Polizei hielt diese Information noch zurück um erneute Panik vorzubeugen, so der offizielle Grund (den man angegeben hätte, hätte man sich überwunden die Pressemitteilung zu veröffentlichen). Viel mehr scheint es so, als wollten sie ihre vorschnelle, inkompetente Festnahme so lange wie möglich vertuschen. Raus gekommen ist der Fehler nämlich erst nachdem Kurat festgenommen wurde und nachdem! die erste Pressemitteilung rausging, erst dann wurden seine Fingerabdrücke und eine DNA-Probe entnommen. Man muss zugeben es bestand auch kein Grund zum Zweifel, da er bei frischer Tat erwischt wurde und die Morde auch alle brav gestanden hat. Nun als die Ergebnisse reinkamen – kam auch der Schwindel raus und auch das gestand Kurat. Doch wie genau er in die ganze Sache verwickelt ist und ob er Kontakt zum echten unsichtbaren Kölner hatte oder schließlich doch
nur ein Trittbrettfahrer ist ist zu diesem Zeitpunkt noch unklar.

„Leute was machen wir jetzt mit dem Scheiß?“, fragte Limpa auf die Leinwand zeigend, auf der der Artikel abgebildet war.
„Anonyme Quelle?! Die meinen wohl eher eine Ratte aus der Polizeistation!“, rief Gabi in die Runde, er kam zuletzt in die kurzfristig einberufene Sondersitzung.
„Aber wem von uns würde das auch nur das entfernteste bringen?“, fragte einer der Kollegen aus der letzten Reihe.
„Ach für Geld macht man so einiges.“, feuerte Gabi zurück.
„Also willst du sagen ein Beamter hat für Geld die Polizei verraten?“
„Wenn die Summe groß genug ist und die Moral niedrig genug – ja warum denn nicht?!“
Großes Gemurmel breitete sich im Konferenzraum aus.
„Liebe Kollegen! Ich bitte euch!“, Limpa versuchte für Ruhe zu sorgen, „Lasst uns lieber überlegen wem dieser Skandal wirklich nützlich ist. Ich bin mir ziemlich sicher, dass niemand von uns so etwas tun würde. Außer Gabi du hast tatsächlich Beweise für deine wilde Theorie – wir sind hier immer noch bei der Polizei.“
„Wer wusste denn alles über Kurat Bescheid?“
„Nur wir die in diesem Raum sitzen, der echte und der falsche unsichtbare Kölner und der Anwalt.“, antwortete Limpa auf Gabis Frage.
Kurze Stille. „So da haben wir es doch! Nur den drei letztgenannten würde die Information an der Öffentlichkeit etwas nützen.“

„Ja aber was genau nützt es ihnen?“

„Chaos – denke ich. Uns als unfähig darstellen, das macht die Presse doch eh am liebsten. Einfach für Unruhe sorgen.“

„Ja das sind die Folgen des Artikels aber was ist der benefit für sagen wir zum Beispiel Kurat?“, hackte Valerie nochmal nach. Erneutes Gemurmel.

„Keine Ahnung. Kurat sieht nicht für mich eh nicht wie einer aus, der für das was er tut gute Gründe braucht. Ich denke, dass er uns damit ärgern kann, reicht schon.“

„Was ist wenn wir was übersehen?“

„Was denn Valerie? Was übersehen wir?“

„Wenn ich das wüsste würden wir es ja nicht übersehen.“

„Vielleicht übersehen wir ja auch nichts und du interpretierst zu viel da rein.“

„So finden wir den echten unsichtbaren Kölner nie.“
In diesem Moment klopfte es an der Tür und der neue Auszubildende Tobi steckte den Kopf in den Raum: „Kommissarin Wolf jemand dringendes wartet auf sie in ihrem Büro. Er sagte sie wüssten Bescheid.“
„Gar nichts weiß ich. Hat er sich vorgestellt?“
„Nein.“
„Und nachfragen wäre ja auch nicht die Aufgabe eines Polizeiauszubildenen?!“
„Tut mir Leid.“
„Na gut. Wir waren eh so weit schon fertig. Wir lassen uns von diesem Blödsinn nicht spalten. Es ist zwar nicht durch unsere Pressestelle an die Medien gelangt, aber jetzt ist es zumindest raus. Karsten du fragst freundlich beim Anwalt nach und die anderen: Ran an die Arbeit in der Stadt läuft buchstäblich ein Serienmörder rum.“
Mit diesen motivierenden Worten verließ Limpa den Konferenzraum und machte sich auf den Weg zu ihrem Büro. Sie fragte sich welcher mysteriöse Mann sie aufsuchte, vielleicht stellt sich ja der unsichtbare Kölner freiwillig, weil er keine Lust auf einen Trittbrettfahrer hat. Sie musste schmunzeln.

„Was machst du denn hier?“, platzte es aus ihr heraus als sie Adam gemütlich in ihrem Sessel sitzen sah.
„Auch schön dich zu sehen.“, waren die ersten Worte die sie von ihm nach Wochen zu hören bekam.
„Adam ich arbeite. Ich hab keine Zeit für so was. Hättest du nicht anrufen können? Oder mich zuhause besuchen können?“
„Ich muss meinen Flug erwischen, aber ich wollte vorher noch persönlich mit dir reden, anders ging es nun mal nicht.“
„Flug? Wohin?“
„Venedig. Ich fliege nach Hause Eva.“

„Was ist mit deinem Haus?“

„Wird zu einer Galerie für neue Künstler umgebaut.“
„Fliegst du für immer?“
„Ja. Ich versuche mein Glück jetzt dort. Ich brauche einen Neuanfang.“
„Und das ist die Trennung von deinem alten Leben?“
„Ja, wenn du es so sagen willst. Limpa ich habe dir unendlich viel zu verdanken. Ich habe dich wirklich wahrhaftig geliebt. Aber die letzte Zeit in der ich so gehadert habe, wie du weißt, verbinde ich zu stark mit dir, weil du immer präsent warst, was gut war, aber ich brauche Abstand davon. Ich brauche was neues, neue Leute, neue Orte, ein neues altes Zuhause.“
„Du hast Recht Adam. Es wird das beste für uns beide sein. Ich will dir auf deinem künstlerischen Weg nicht im Weg sein. Ich wünsche dir alles gute.“, sie überwand sich zu einem lächeln, hinweg über die glasigen Augen.
„Ich wusste du würdest es verstehen. Danke. Danke Eva für alles.“
Ein letztes mal umarmte er sie und ein letztes mal sog sie seinen so vertrauten, geliebten Duft ein und ein letztes mal küssten sie sich fest und dennoch sanft auf die Lippen, lösten sich nur langsam voneinander. Adam blieb noch eine ganze Weile in der Tür stehen und schaute sie an bevor er schließlich mit einem „Lebe wohl!“ den Raum verließ.
Limpa ließ sich in ihren Stuhl fallen und stieß einen lauten Seufzer aus. Sie dachte über ihr Leben nach: Eine fünfunddreißig jährige Polizeikommissarin auf der Suche nach einem Serienkiller, frisch getrennt von einem aufstrebendem Künstler, nach nicht mal vier aber dafür sehr intensiven Monaten Beziehung, eine Scheidung schon hinter sich, aber keine Kinder. Und so wirklich wollte Olimpia auch nie welche haben. Seit sie mit Adam zusammen war, kannte sie nichts anderes mehr außer ihm. Andere Leute traf sie nur auf seinen Ausstellungen und auf der Arbeit, wobei sie schon vorher kein ausgeprägtes Sozialleben hatte. Deswegen schien es niemanden aufzufallen, dass sie sich mehr und mehr abkapselte. Nichtsdestotrotz waren die letzten vier Monate mit Adam die glücklichsten ihres Lebens gewesen, selbst mit dem unsichtbaren Kölner im Nacken. Und nun – nun ist dieses Glück vorbei – endgültig.

Es ist kalt geworden und trostlos in Köln. Die Weihnachtsmärkte wurden aufgebaut und die sale-Schilder in den Vitrinen aufgestellt, Dutzende Polizisten streiften durch die Innenstadt. Man ließ sich nicht anmerken, dass die Stimmung bedrückt war. Die rheinische Frohnatur lässt sich nicht so schnell unterkriegen. Seit der Festnahme von Kurat sind ungefähr vier Wochen vergangen und in dieser Zeit sind keine weiteren Frauen verschwunden, trotzdem wartete man noch mit dem Aufatmen – man hatte gelernt sich nicht zu früh zu freuen.
Gabriel ließ sich mithilfe alter Freunde in die JVA einschleusen, um mit Kurat ohne Anwalt und Kameras sprechen zu können. Kurat wurde rein gebracht, Gabriel saß schon am Tisch. Selbst in dieser Situation konnte sich der in Handschellen gelegte sein Grinsen nicht verkneifen, blieb aber Stumm.
„Bekommst du hier die Nachrichten mit?“, fing Gabi an nachdem er ihn eingehend gemustert hatte.
„Und wie.“, Kurat lehnte sich zurück.
„Hervorragend. Hast du diese Info gestreut?“
Er lachte: „Wer weiß.“
„Also ja. Aber ich bin heute hier um mit dir über etwas anderes zu reden.“
„Spannend!“
„Inwiefern steckst du mit dem echten unsichtbaren Kölner unter einer Decke?“
„Sie erwarten doch jetzt keine Hilfreiche Antwort oder? Denn entweder ich stecke nicht mit ihm unter einer Decke – dann hat sich alles erledigt. Und wenn doch, wieso sollte ich ihnen etwas sagen?“
„Die Leiche die wir zusammen mit dir im Wald gefunden haben, hast nicht du getötet, sondern aus dem Krankenhaus mitgehen lassen. Bis jetzt habe nur ich diese Info, deswegen ist auch bisher noch niemand gekommen.
„Wie aufregend Herr… ehm…“
„Geht dich ein Scheiß an.“
„Ja dann ist die Leiche geklaut und weiter? Was ändert das?“
„Die Leute stempeln mich oft als doof ab aber zu unrecht. Ich glaube der echte unsichtbare Kölner hat dich beauftragt die Schuld auf dich zu nehmen. Ich habe nämlich ein bisschen recherchiert und durch die Unachtsamkeit der Sekretärin deines Anwalts kenne ich deinen Namen. Ja ganz richtig gehört Nicolai Smirnow. Und ich weiß, dass du in St. Petersburg als Schauspieler angefangen hast und dann für drei Monate in die Geschlossene kamst, weil du ein klein wenig verrückt bist. Meiner Meinung nach schon etwas riskant einem Verrückten anzuvertrauen seinen Arsch zu retten. Ich frag mich auch für welchen Preis du das alles auf dich genommen hast.“
„Ich bin nicht verrückt!“, rief Nicolai, zum ersten mal sah man so etwas wie menschliche Züge in seinem entgleisten Gesicht.
„Doch, genau deswegen wählte er dich aus. Er brauchte einen Sündenbock und etwas Zeit um sich in Sicherheit zu bringen, also engagierte er einen jungen erfolglosen Schauspieler für vermutlich viel Geld, der eine Leiche in den Wald bringen sollte – von dem wir ja schon wussten. Dieses trojanische Pferd sollten wir dann ohne zögern fangen und eine ganze Weile mit dem öffnen beschäftigt sein, um dann herauszufinden, dass alles nur eine große Verarsche war.“
„Sind sie stolz auf ihre Verschwörungstheorie?“, Nicolai hatte sich wieder gefasst.
„Gib es doch einfach zu! Ich habe dich und ich habe Beweise.“
„Beweise? Meinen Namen oder was? Was beweist das schon? Das sind Höchstens Indizien – vor Gericht bringt das doch nichts.“
„Deswegen bin ich hier, damit du deine Aussage machst.“
„Wieso sollte ich?“
„Ich habe immer noch die Leiche – das ist ein menschengroßer Beweis. Plus die Lügen die du uns erzählt hast, dass du der Mörder der Frauen warst, bringen dir bestimmt ein paar Jahre hinter Gitter. Aber wenn du mir verrätst wer der unsichtbare Kölner ist, kommst du mit einer Bewährungsstrafe davon.“
„Erzählen sie mir doch keine Märchen!“
„Du glaubst gar nicht mit wie vielen Richtern ich am Wochenende noch ein Kölsch trinken gehe und wie viele mir noch eine Gefallen schulden.“
„Und wenn schon.“
„Denkst du er wird dir irgendwie dankbar sein für deine Loyalität und ihr reitet zusammen in den Sonnenuntergang? Spätestens bei der Geldübergabe – egal wie er es anstellen wird – kriegen wir ihn. Und dann kommt ihr beide ins Gefängnis. Und ich bin mir sicher, er wird dich fallen lassen wie eine heiße Kartoffel und alles auf dich schieben.“
„Das möchte ich erleben.“
„Idiot. Also sagst du nichts?“
„Ich kann ihnen vieles sagen nur nicht das was sie wissen wollen.“
Gabi stand auf und ging zur Tür. „Aber eins muss ich dir lassen, deine Rolle hast du gut gespielt.“
„Ihr werdet ihn nie kriegen.“, Nicolai lachte.

 

letztes Kapitel                                                                                                       Fortsetztung folgt…

 

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