„Aber wie? Wie kann das sein? Und was hat das zu bedeuten?“, stammelte sie.
„Die Ergebnisse kamen heute morgen rein, wurden zweimal überprüft, Karsten hat mich sofort angerufen und seitdem sitze ich hier und drehe mich auf meinem Stuhl und weiß nicht mehr weiter.“
„Aber du hast ihn doch im Wald, beim Verbrennen, auf frischer Tat … er hat doch alles gestanden…“, man sah förmlich die Fragezeichen im Olimpias Augen wachsen, „aber… wir hatten ihn doch.“
„Ich werde ihn gleich nochmal befragen, ich warte nur noch auf die Rückmeldung von seinem Anwalt. Kommst du mit?“, Limpa reagierte nicht, „Ob du mitkommst?“, wiederholte sie.
„Was?“, Limpa erschrickt.
„Ich frage ob du mitkommst ins Gefängnis, um Kurat zu befragen.“
„Ja natürlich. Entschuldige mich.. ich .. ich bin nur…“
„Ja ich weiß. Ich auch.“
Valerie und Olimpia saßen in einem muffigen, kleinen Raum in der JVA Köln, gegenüber der Anwalt von Kurat – er selbst wurde erst später rein gebracht. Er grinste übers ganze Gesicht.
„Du weißt warum wir hier sind?“, fragte Olimpia.
„Guten Morgen Kommissarin Topika, ich freue mich sehr sie Wiedersehen zu können. Ich wollte ihnen eigentlich schon viel früher zu ihrer gelungenen Arbeit gratulieren, aber man ließ mich nicht, wie sie sicher wissen.“, er strahlte sie an.
„Was bist du? Ein Trittbrettfahrer oder ein geisteskranker Fan oder sein Komplize? Was bist du?“, Valerie war bestimmt und laut und deutlich.
Sein Grinsen wurde breiter: „Ich frage mich, was die Presse schreiben wird, wenn sie raus finden, dass ich gar nicht ihr Liebling bin.“
„Beantworte die Frage!“, Valeries linkes Auge zuckte.
„Alles mit der Ruhe. Haben wir etwa nicht genug Zeit? Ich wollte doch noch so gerne mit ihnen plaudern, Kommissarin Topika. Verraten sie mir, wie sie hinter den Platz im Wald gekommen sind? Vielleicht kann ich ja noch was von ihnen lernen.“
„Arbeitest du mit ihm zusammen?“, hackte sie nach.
„Aber diesen Meistertrick haben sie doch sicher nicht alleine geschafft oder etwa doch?“, kurzes Schweigen, „Und wie ihre Kollegen mich auf dem Weg vom Wald zum Auto eskortiert haben – das war schon sexy. Geben sie das auch den Beamten weiter. Die haben alle tolle Arbeit geleistet.“
„Du willst es also nicht auf die nette Tour?! Behinderung der Justiz, sich unter falschen Identität ausgeben, Mithilfe, Vertuschung, Deckung eines Kriminellen, vielleicht sogar Mord. Du wird für eine sehr lange Zeit hinter Gitter kommen, wenn du nicht schleunigst deine kooperative Seite zeigst, Kurat. Vor allem wie ist eigentlich dein wirklicher Name? Den wissen wir immer noch nicht.“, Valerie lehnte sich bei jedem Wort weiter nach vorne über den Tisch.
„Warten sie – und sie können meine Strafe mildern? Kann sie meine Strafe mildern?“, er drehte sich zu seinem Anwalt. Der schmunzelte und schüttelte ganz leicht den Kopf.
„Kann sie also nicht…“, er wirkte keineswegs enttäuscht.
„Nicht auf direktem Wege, aber wir können was aushandeln.“, unterbrach Limpa ihn.
„Wir sind in keinem billigen Ami-Krimi, meine Damen – ohne Beweise ihrerseits sage ich nichts.“
„Wer gibt mir die Garantie, dass du dann was sagen wirst, wenn du überhaupt etwas weißt?“, Valerie lehnte sich im Stuhl zurück und guckte kurz zu Limpa, deren Augen flackerhaft hin und her sprangen.
„Richtig Kommissarin Topika, die Garantie kann ihnen keiner geben, es geht um vertrauen.“, er grinste und blickte zum Anwalt rüber, der ihm deutete dieses sein zu lassen, „Entschuldigt mich, vielleicht bin ich ja auch zu gut drauf. Euch ist wahrscheinlich nicht nach lachen zu mute.“
„Ich frage dich ein letztes mal! Was bist du? Wer bist du? Kennst du den unsichtbaren Kölner?“, Valerie machte unter dem Tisch eine Faust und presste sie fester und fester zusammen.
Er lachte lautlos.
Es gab keine bunten Farben mehr. Weißer Schnee auf schwarzem Untergrund. Erschöpft und immer noch verwirrt kam Limpa nach dem misslungenen Verhör nach Hause. Adam war zur Abwechslung nicht da. Sie betrat das Wohnzimmer und mitten im Raum stand seine Staffelei, mit einem noch nicht fertigen Bild darauf. Olimpia trat näher und betrachtete es für einige Sekunden, sie erinnerte sich, dass Adam immer vom Licht sprach, wenn man malt oder sich das Bild auch einfach nur anschaut. Sie schaltete die Deckenlampen aus und ließ das natürliche Tageslicht, wovon nicht mehr viel übrig war, das Bild ausleuchten. Es wirkte düster und nachdenklich. Abgebildet war der Blick aus dem Wohnzimmer; der Wald hinten und das karge, trostlose Feld vor dem Haus. Die Farben die er benutze, die harte, zackige Technik, die er verwendete, ließen Limpa schließen, dass irgendwas nicht stimmte. Der schwarze, unfruchtbare Boden, der kaputte, zerrüttete, dunkelbraune, fast schwarze Zaun, am Ende des Felds, der tief-dunkelgrüne Tannenwald ganz hinten; der Pinsel wurde bei jedem Strich fest aufgedrückt, doch mit dem Finger etwas verwischt, sodass es gleichzeitig verschwommen aussah. Der Himmel, welcher nur einen Bruchteil des Bilds stellte, war zwar im Vergleich zum Rest der Farben hell aber dennoch wirkte dieser dreckig – ein dreckiges, modriges durchgängiges grau. Als wären die Farben die unten benutzt worden sind, nicht vom Pinsel abgewaschen worden und sind auf den Himmel übergegangen. Der Himmel wirkte so, als wäre er zum Schluss gemalt worden, unordentlich oben drüber gepinselt, damit es zu einem Ganzen wird.
Wie lange kann ich mich noch verstecken? Wie lange kann ich mich noch unter Kontrolle halten? Mein Platz im Wald haben sie schon, ich muss mir irgendwas anderes suchen, wo ich meiner Obsession nach kommen kann. Doch werden sie mich auch dieses mal finden? Nein, das werden sie nicht. Ich muss mir was konsequenteres einfallen lassen, sie sollen den unsichtbaren Kölner vergessen. Aber ich muss wieder anfangen, ich kann das Verlangen nicht mehr kontrollieren, nicht mehr in anderes kanalisieren. – Vor allem will ich das auch gar nicht mehr. Ich will mich nicht mit irgendwelchen Belanglosigkeiten zufrieden geben, wenn ich doch so ein Verlangen habe, welches ich ausleben sollte. Die Stimmen in meinem Kopf lassen mich nicht mehr in Ruhe. Sie sagen mir, ich soll wieder auf die Piste – aber es ist noch nicht sicher, sage ich ihnen und sie sagen, es wäre egal. Ich muss hier erst mal weg. Dieser Alltag macht mich noch wahnsinnig.
„Valerie was ist?“, sie seufzte.
„Freut mich auch von dir zu hören Olimpia.“
„Ich dachte nur vielleicht ist schon wieder was passiert.“
„Nicht direkt.“, Valerie zögerte.
Limpa setzte sich mit dem Handy auf das Sofa.
„Mach kein Geheimnis daraus.“
„Na die Presse fragt nach Neuigkeiten, weil seit zwei Tagen nichts mehr kam.“
„Die Presse ist mein geringstes Problem. Wir sagen erst mal nichts. Wir haben auch erst mal nichts. Wir wissen doch selber nicht was das alles zu bedeuten hat. Und solange wir nichts genaues wissen, braucht die Presse erst recht nichts zu berichten. Sonst werden sie in ihrer Annahme nur noch bestärkt.“
„Welche Annahme?“
„Dass wir unfähig sind. Die unfähigen, kölner Beamten, schrieb der Kölner Stadtanzeiger.“
„Papalapap. Gut, ich sag dann.. was sage ich denen?“
„Gar nichts – keine Antwort.“
„Fühlt sich irgendwie falsch an.“, gab Valerie leise von sich.
Adam kam rein.
„Sollen die Leute wieder Panik bekommen?“, rief sie fast in den Hörer.
Adam wirkte überrascht und hauchte ‚Panik?‘, Limpa schüttelte nur mit dem Kopf und winkte ab.
„Gut, ich muss jetzt auflegen. Adam ist da. Wir sehen uns morgen. Geh nach Hause Valerie. Ruh dich ein paar Stunden aus.“
Limpa drehte sich um, da stand Adam schon hinter seiner Staffelei und malte wieder.
„Du hast freiwillig das Haus verlassen?“
„Ich war spazieren.“, antwortete er.
„Spazieren?! Du?! Du warst spazieren?!“, Limpa konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.
„Ja, lass mich doch!“
„Ich lasse dich sehr gerne, aber trotzdem.“
„Auch ein Künstler von Gott braucht Inspiration.“
Limpa ging zu ihm und wollte ihn küssen, doch er malte einfach weiter. Ignorierte sie einfach, er war wieder im Tunnel. So ging das die nächsten Tage weiter: Er hing an diesem Bild, tagelang und bekam es nicht fertig, fügte mehr und mehr Details hinzu, war nie Zufrieden. Einmal erwischte Limpa Adam am offenen Fenster, in den Händen das Bild, er drohte es jede Sekunde fallen zu lassen. Die Vernissage im Haus musste verschoben werden. Limpa fragte ihn andauernd, was es mit diesem sonderbaren Bild auf sich hat, aber Adam schwieg, so wie auch sonst immer, wenn Limpa ihn etwas fragte. Er redete kaum noch. Malte nur noch an dem Bild, wobei man das nur noch schwer malen nennen konnte: er stand stundenlang davor, bewegte sich nicht, starrte es an und irgendwann nahm er seinen Pinsel in die Hand, tauchte ihn in Farbe und stand wieder eine ganze Weile regungslos da, bis er sich schließlich überwinden konnte einen Strich zu setzten, fluchte dann, weil es schlecht geworden ist und dann fängt alles wieder von vorne an. Limpa wurde ja gewarnt, dass es mit einem Künstler nie einfach ist – aber an so was hat sie nicht im entferntesten gedacht. Wenn Limpa ihn auf die Situation ansprach sagte er nur: „Siehst du nicht was ich mache ? Ich male, also störe mich nicht. Und mach die Tür zu wenn du gehst!“
Neuerdings malte er nicht mehr im Wohnzimmer, sondern in seinem Kunst/Galeriezimmer (was er normalerweise nutzte um seine fertigen Bilder dort abzustellen). Um ihn herum waren alle Bilder, die riesigen, schon bemalten Leinwände aufgestellt, bunte Farben, abstrakte Figuren lachten ihn an und in der Mitte er mit seinem – im Vergleich zum Rest – sehr düsteren, nicht-fertig-werden-wollenden Bild.
„Willst du nicht mal ne Pause machen? Dann können wir reden. Du machst ja nichts anderes mehr, isst nichts, schläfst nicht, gehst nicht mal auf Klo.“
„Ich brauche keine Pause. Ich muss fertig werden.“
Und wenn man ihn fragte wie es sein kann, dass er doch plötzlich mit seinen fertigen Bildern im gleichen Raum sein konnte, so sagte er sie geben ihm Energie. Limpa war verzweifelt – offensichtlich. Sie wusste, dass sie nichts falsch gemacht hat; sie wusste auch, dass Adam etwas bedrückte, aber sie wusste nicht wie sie ihm helfen konnte, also fasste sie eines Tages einen Entschluss: „Adam, ich weiß du willst nicht mit mir reden. Das ist jetzt auch wahrscheinlich das letzte was du für eine Weile von mir hören wirst. Ich wollte nur sagen, dass ich zurück in meine Wohnung gehe, weil ich denke, dass du Zeit für dich brauchst und ich kann dir dabei auch nicht mehr länger zusehen. Jedenfalls ich liebe dich Adam und wenn du mich brauchst bin ich für dich da, ich weiß jetzt einfach nicht was ich noch für dich tun kann. Das ist keine Trennung, außer du willst das, das ist ein Auf Wiedersehen.“
letztes Kapitel Fortsetzung folgt…
Ein Gedanke zu „krimi zwischendurch – kapitel 7: weißer schnee auf schwarzem untergrund“