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Krimi Zwischendurch – Kapitel 5: Verstecken und Fangen im Nebel

In der Zwischenzeit ist es früher Herbst geworden, die Tage wurden verregneter und kälter. Sie lagen nun schon eine Woche im Gebüsch aber nichts tat sich. Vermutlich hat der unsichtbare Kölner Wind von der Sache bekommen und entschied sich der Polizei noch nicht in die Falle zu gehen. Fast zwei Wochen hatte es keine neuen Vermissten gegeben. Die Presse schrieb, dass er Urlaub machte, irgendwo wo es wärmer war, vielleicht konnte er bei Regen nicht arbeiten.

Nach einer weiteren Woche wurde die Observation beendet – es wäre nur noch eine Verschwendung der Ressourcen, meinte Gabriel, so eine lange Pause hatte der Entführer noch nie gemacht. Man dachte schon er hätte genug gehabt, hatte seinen Spaß und beendete sein nächtliches Hobby. Valerie ließ aber noch nicht los. Sie war fest davon überzeugt, dass der Ort im Wald der Platz war, wo er seine Opfer hinbrachte und verbrannte. Sie dachte, er wolle alle anderen in Sicherheit wiegen bevor er wieder loslegte. Aber darauf fiel Valerie nicht rein – seitdem die Überwachung beendet wurde, ging sie jedes Wochenende in den Wald und genauso traurig wie es sich anhörte, so war es auch. Sie legte sich in ihr kleines Zelt, hinter riesigen Büschen mit ihrer Thermoskanne und schaute alle fünf Minuten durch ihr Fernglas. Sie war ganz alleine und es war nicht im Geringsten so aufregend wie in den Filmen immer gezeigt wurde und vor allem dauerte es in echt natürlich um einiges länger. Das hielt Valerie aber nicht davon ab ihren Job zu machen, für sie fühlte es sich richtig an. Niemand auf dem Revier wusste was sie jeden Freitag nach Feierabend machte und es durfte auch niemand wissen, weil wenn doch und sie ihn nicht schnappen würde, würde sie suspendiert werden; aber sie dachte, naiv wie sie war, wenn sie ihn schnappen würde, könnte man ihr ihren Fehler verzeihen und sie wäre die Heldin. Viel hätte, würde, könnte – das wusste Valerie auch, aber wenn man jede Woche eine freiwillige, unbezahlte Nachtsicht einlegte – überlegte man sich schon manchmal warum man das eigentlich machte.

Gleichzeitig war Limpa bei Adam auf seiner Ausstellung. Er hatte wieder neue Bilder, er war unglaublich fleißig in letzter Zeit. Die Muse küsste ihn jeden Tag aufs Neue und er malte und malte ununterbrochen. Limpa war zutiefst beeindruckt von seinem Talent – für sie wurde er jeden Tag besser und anscheinend empfanden die Kunstszene und die Kritiker genauso. Mehr und mehr Leute wurden auf ihn aufmerksam. Es kamen immer mehr Leute zu den Ausstellungen, die Bilder wurden für immer mehr Geld verkauft und mehr Zeitungen schrieben über ihn, seinen Erfolg und seine Kunst. Limpa fühlte sich geehrt und zehn Jahre jünger, wenn sie mit Adam zusammen war.

Eines Sonntagmorgens als die letzten Spätsommersonnenstrahlen ins Zimmer schienen, sprang Adam auf, holte einen Hocker aus der Küche, wickelte Limpa in ein Lacken, setzte sie auf den Hocker und zeichnete sie einfach so wie sie war: noch ganz verschlafen, ungeschminkt, nicht angezogen und mit zerzaustem Haar.

„Du bist so wunderschön.“, hauchte er während er kurz innehielt.

„Deine Augen funktionieren morgens wohl noch nicht so gut.“, Limpa lachte.

„Nicht bewegen!“

„Ich bitte um Verzeihung, Meister.“

Adam achtete nicht weiter darauf was sie sagte, sondern malte einfach weiter, wie in Trance, als würde der Bleistift sich von selber bewegen. Für ihn war Limpa an diesem Morgen das schönste Geschöpf auf Erden.

Auf der Ausstellung standen die beiden vor dem Bild – eine Bleistiftzeichnung, auf einem Blatt aus einem Zeichenblock, in einem viel zu großen schwarzen Rahmen.

„Was denkst du?“, fragte er sie.

Limpa ging näher zum Bild und strich sanft über das kleine Schild neben dem Bild, auf dem Name, Preis und Datum standen.

„Eva. Du hast es Eva genannt. Eva von Adam, so als hättest du mich erschaffen.“, sie wirkte abwesend. Adam grinste und schaute sie aufmerksam an.

„Aber gefällt es dir?“, hackte er nach.

„Ich bin Polizistin, genauer Kommissarin und du hast mich hier in aller Öffentlichkeit entblößt. Ich müsste empört sein aber ich kann nicht – es ist zu schön wie du mich siehst.“, gedankenverloren betrachtete sie das Bild noch eine ganze Weile.

Erst als sie zu sich kam, wagte Adam zu antworten: „Niemand wird wissen, dass du es bist, mit den Haaren im Gesicht erkennt man dich doch gar nicht.“

„Warum musst du es verkaufen?“

„Du willst es haben?“

„Aber willst du es nicht behalten?“, aus dem Augenwinkel beobachtete sie ihn.

„Kunst ist da um geteilt zu werden, um betrachtet zu werden, um sich daran zu erfreuen, um der Welt etwas von sich zu geben. Du weißt, dass ich jedes Bild verkaufe. Ich kann nicht arbeiten, wenn irgendwas Fertiges, mit Energie behaftetes noch irgendwo rumsteht.“

„Und wenn es jemand kauft, dann sehen es doch nur wenige Privatpersonen.“

„Vielleicht kauft es ein Museum.“, er zuckte mit den Schultern.

„Warum kann es nicht hierbleiben?“

„Ich muss doch auch Geld verdienen.“, Adam lachte.

„Tust du das nicht genug?“

„Ich habe das Gefühl Eva wird mein Durchbruch.“

Limpa war zwar nicht zufrieden damit, dass jemand Fremdes dieses intime Bild von ihr kaufen könnte aber sie fühlte sich geschmeichelt und erregt von Adams zarten Worten.

Die tapfere Valerie Topika, Kommissarin seit vier Monaten, im Revier seit zwei Jahren, studierte Kriminologin, lauerte in ihrem Zelt. Die Stunden vergingen langsam, es wurde nicht wirklich hell und ein dicker, tiefer, feuchter Nebel legte sich über den Wald. Valerie konnte nicht mal den Fluss zwanzig Meter entfernt sehen, sie hörte nur das Plätschern des Wassers. Es war geisterhaft, Valerie musste zugeben, dass sie Angst hatte. Sie war aufgeregt, irgendwas beunruhigte sie im inneren, sie wusste nur noch nicht was es war. Es war zwar noch früh, halb sechs, aber sie rief Gabriel trotzdem an und bat ihn zu kommen. Sie versuchte sich derweilen zu beruhigen und sich auf einen möglichen Zugriff vorzubereiten, auch wenn Gabriel ausdrücklich verboten hatte alleine zuzuschlagen. Sie atmete nur noch flach und das Blut pochte ihr im Hals. Links von ihr hörte sie ein Geräusch, sie konnte die Quelle aber nicht identifizieren. Sie schloss die Augen und konzentrierte sich keine Angst mehr zu haben. Es war ein Auto welches behutsam nach hinten fuhr und nun sah sie auch die Rücklichter. Valerie lauschte aufmerksam den schweren Schritten, die jetzt deutlich zu hören waren. Sie packte ihre Waffe noch fester. Wegen des Nebels konnte sie nichts erkennen. Sie traute sich nur zögernd aus ihrem Zelt, aber wenn sie ihn nicht sehen konnte, konnte er sie auch nicht sehen. Richtig? Etwas Schweres fiel zu Boden, die Schritte gingen nochmal zum Auto, holten etwas aus dem Kofferraum, Valerie vermutete einen Kanister Benzin, mit dem er die Leiche noch brennbarer machte. Sie wartete nicht mehr lange, es war so weit, sie rannte los und erblickte endlich den unsichtbaren Kölner. Für den Bruchteil einer Sekunde war Valerie versteinert. Eine Million Gedanken schossen durch ihren Kopf – Was mach ich hier? Was soll ich tun? Wie rennt man? Warum stehe ich noch? Krieg ich ihn? Was wird Limpa sagen? Was wird Gabi sagen? Krieg ich Ärger für meine Aktion? Komme ich heile davon? Kommt er heile davon? – Das gab ihm natürlich eine Möglichkeit zum Reagieren. Er drehte sich um, ließ den Kanister fallen und lief den Fluss entlang.

„Stehen bleiben! Polizei! Sie sind verhaftet! Bleiben sie sofort stehen!“, Valerie schrie so laut und so lange es ihr beim Verfolgen möglich war. Außer ihrem Geschrei war aber nichts zu hören – es war totenstill. Valerie blieb kurz stehen und versuchte zu horchen wo er hingelaufen ist – aber nichts – es war wie auf Lautlos gestellt. Sie atmete aus, beugte sich über und stütze sich mit den Händen an den Knien ab. In der Ferne kam ein Geräusch auf, was immer lauter wurde – Sirenen – Gabi. Sie packte ein erneuter Funke Hoffnung, jetzt wo sie nicht mehr alleine war. Sie mobilisierte neue Kräfte und stürzte wieder hinterher. Sie rannte am Fluss entlang um sich nicht zu verirren. „Vermutlich würde er das auch so tun. Sein Auto nämlich stand genau in der entgegengesetzten Richtung und so blöd zurück zu kehren wird er nicht sein. – Also ohne Auto keine Flucht. Was bleibt ihm also übrig? – Sich zu verstecken. Vielleicht ist er doch querfeldein gelaufen und wartet bis wir weg sind.“, dachte sie.

„Val wo bist du?“, Gabi rief an.

„Gabi! Gott sei Dank! Ich bin den Fluss entlanggelaufen. Er wird sich hier im Wald verstecken. Schick mir Verstärkung.“

„Du bist wahnsinnig. Valerie warte auf uns!“

Da hatte sie schon aufgelegt. Sie entfernte sich vom Fluss und schlich langsam in den Wald hinein. Es wurde zwar heller, doch der Nebel wurde nur dichter. Nach fünfzehn Minuten hatten sie drei Beamte eingeholt und gemeinsam gingen sie in zehn Meter Abständen zueinander und mit Taschenlampen ausgerüstet immer tiefer in den Wald. Und nach einer weiteren guten Stunde entdeckten sie ihn schließlich hinter einem Busch, als würde er auf sie warten, er hatte wohl seine Möglichkeiten durchdacht und entschied, sich zu ergeben. Valerie verhaftete ihn, ohne jegliche Weigerung seinerseits. Keine Spektakuläre Flucht, keine Verfolgungsjagd, keine Schießerei, keine Geiseln – als hätte er aufgegeben und nichts mehr für was es sich noch zu rennen lohnt. Seine Rechte wurden ihm verlesen und nun hatten sie einen fast zweistündigen Marsch zurück vor sich. Valerie war schon ganz neugierig auf das was er zu erzählen hatte, sie wollte ihn am liebsten sofort verhören aber sie wusste sie würde ihre Chance noch kriegen und so schwiegen sie den größten Teil der Strecke. Der nun doch nicht so unsichtbare Kölner grinste die ganze Zeit debil vor sich hin und ab und zu pfeifte er ein kurzes Liedchen.

„Welchen Grund hast du so fröhlich zu sein?“, Valerie war genervt, dass er immer noch die Überzeugung hatte, dass er hier die Macht hatte.

„Es ist doch ein wunderschöner Morgen.“, er atmete laut aus.

„Was war der Grund für deine lange Pause? Wir haben dich schon vermisst.“, sie versuchte mitzuspielen.

„Urlaub.“, sagte er ganz ernst.

„Darf ich wissen wie du heißt?“

„Gefällt dir unsichtbarer Kölner nicht?“

Valerie verdrehte die Augen: „Wie du willst, aber früher oder später wirst du alles erzählen.“

Er flüsterte: „Kommissarin das glaube ich auch.“

Val sah ihn so von der Seite an und dachte darüber nach, dass er der perfekte Bilderbuch Serienkiller war– die Presse wird sich um ihn reisen. Sie sah die Filmplakate in Hollywood schon vor sich: Der unsichtbare Kölner ab Sommer im Kino.

Die Sonne ging auf und der Nebel verzog sich. Sie brachten ihn aufs Revier in den zweiten Verhörraum. Valerie und Gabriel standen davor und füllten Papierkram aus.

„Valerie du bist doch verrückt!“, Gabriel war sichtlich außer sich.

„Ist doch nichts dabei.“, sie verkneifte sich ein Grinsen.

„Du hättest sterben können.“

„Gabi warum so dramatisch? Er war nicht mal bewaffnet und ich war auch nicht alleine.“

„Er ist gefährlich. Du siehst doch selber wie er drauf ist.“

„Ich bin auch Gefährlich Gabi. Du traust mir zu wenig zu.“

Er warf die Hände in die Luft, drehte sich um und ging sich einen Kaffee holen.

Augenblicklich schlummerte Limpa neben Adam, auf der Ausstellung wurde es etwas später als erwartet, sie fielen erst vor kurzen erschöpft, glücklich und beschwipst ins Bett. Es war ein großer Erfolg – fast alle Bilder wurden verkauft. Die Gäste waren begeistert. Und in der fröhlichen träumerischen Stille klingelte plötzlich das Handy von Olimpia Wolf.

„Val was ist?“

„Wir haben ihn.“

Limpa fuhr blitzschnell hoch. Vollkommen entsetzt blickte sie auf Adam der süßlich lächelnd neben ihr schlief.

 

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