„Deine Bilder sind ja alle nur rotweiß. Rote Farbe auf weißer Leinwand und weiße Farbe auf roter Leinwand.“, bemerkte Limpa und nippte an ihrem Glas Sekt.
„Rot ist die Farbe der Liebe.“, antwortete Adam und blickte erst sie und dann sein Kunstwerk an.
„Und die Farbe von Blut und Tod.“, sagte Limpa.
„Aber weiß dafür nicht.“, er lächelte sie sanft an. Sie nickte geistesabwesend und betrachtete sein Bild weiter.
Seit seinem letztem Mord sind sieben Tage verstrichen – es war wieder soweit. Es war immer noch heiß in der Stadt und er lauerte in einer Gasse der Altstadt. Es wurde langsam wieder hell draußen und eine junge, schöne, blonde Frau ging, anscheinend nach einer durchzechten Nacht alleine nach Hause. Er packte seine Chance beim Schopf und packte sie kraftvoll an den Knöcheln und zog sie ruckartig zu sich. Die Frau fiel unmittelbar mit einem großen Krach zu Boden, sie stöhnte vor Schmerz und schrie vor Angst. Er nahm ihren Kopf in die Hände und blickte in ihre Augen – sie erstarrte bei dem Gedanken daran, dass das letzte was sie sieht – seine schon lange toten Augen sind. Er nahm ihren Kopf ein Stück höher und schmetterte ihn mit voller Wucht auf das Kopfsteinpflaster. Das Blut spritze nur so in alle Richtungen – sie war sofort tot. Er lächelte – ihr wunderschönes Gesicht lag ganz still vor ihm, mit einem schönen roten Muster auf ihrer weißen Haut. Immer mehr warmes Blut strömte aus ihrem Kopf auf seine Hände, er war ganz erregt von dieser Wärme, es fühlte sich so lebendig an – obwohl sie schon tot war. Er wollte sie, genauso wie sein erstes Opfer, am Fluss verbrennen, aber er und sie waren nicht alleine in dieser Vollmondnacht: zwei weitere junge Frauen gingen die Straße lang und unterhielten sich laut. Er war nicht darauf vorbereitet, dass noch jemand kommen würde – er hat sich extra eine abgelegene Gasse ausgesucht. Er musste sich schnell was einfallen lassen: seine Spuren sind überall auf der Leiche – er konnte sie unmöglich hierlassen, aber wenn er sie wegtragen würde bestünde die Gefahr, dass er gesehen wird. Was sollte er tun? Er sprang vom Boden auf, schleppte die Leiche an den Füßen hinter einen Müllcontainer und lief schnell zu seinem Auto.
In einem Vorort vor Köln wurde Limpa wach und neben ihr schlief Adam noch tief und fest. Es war schon später Vormittag aber es war ihr egal, sie hatte sich den halben Freitag frei genommen, damit sie und Adam in sein Studio fahren konnten um eine gemeinsame, ungestörte Nacht verbringen zu können. Sie kannten sich zwar erst eine Woche, aber diese verbrachten sie beinahe komplett zusammen, nur wenn Limpa zur Arbeit musste – waren die beiden getrennt. Die Sonne schien in das Schlafzimmer und kitzelte ihre Nase, sie drehte sich zu Adam und strich eine Strähne aus seinem Gesicht. Das Haus war abgeschottet von allem, es stand frei auf einem großen Feld, umgeben von einem Wald. Das Licht ließ alles goldgelb erstrahlen. Nichts könnte diesen Moment jetzt stören. Adam gab ihr immer das Gefühl sie könne sich fallen lassen und er würde sie fangen – klar fühlte sie sich etwas naiv, dass sie ihm nach einer Woche so vertraute, aber sei’s drum – sie hat das schon unter Kontrolle.
Währenddessen wurde die Leiche von ihren Kollegen untersucht. Die zwei Frauen von heute Nacht hatten Blut gesehen, traten in die Gasse, erblickten einen Schuh und als sie weiter gingen fanden sie die Leiche. Valerie und Gabriel waren am Tatort.
„Soll ich sie anrufen?“, fragte Valerie.
„Nein sie ist mit ihrem Kerl, gönnen wir es ihr.“, Gabriel wollte sich wieder dem Gespräch mit dem zuständigen Polizisten widmen, „Wir kommen schon klar.“, er deutete ihr zu gehen.
„Aber… Kommissar Carnot es handelt sich offensichtlich um einen Mord – wir haben noch eine Vermisste in der Gegend, auch eine junge Frau – vielleicht gehört das zusammen.“
„Valerie, sie wird um zwei Uhr ins Revier kommen, dann kannst du all deine verrückten Theorien mit ihr besprechen.“, er schaute sie genervt an.
„Also glauben sie nicht, dass die Vermisste und die Tote zusammengehören? Die beiden Verbrechen geschahen innerhalb einer Woche – das kann doch kein Zufall sein?“
„Und was, wenn die Vermisste morgen wieder auftaucht?“, er räusperte sich.
„Und was, wenn wir morgen ihre Leiche finden?“, Valerie zog eine Braue hoch. Gabriel verdrehte die Augen: „Alles ist möglich Sherlock.“
„Die Frage ist: was Wahrscheinlicher ist, Watson.“, sie lächelte und ging schnell wieder an die Arbeit, bevor er noch was sagen konnte.
„Was haben wir Annette?“, fragte Valerie eine Mitarbeiterin der Forensik.
„Wir haben eine Menge Spuren: DNA, Fußspuren im Blut und da hinten Reifenspuren.“
„Fehlt ja nur noch ein Foto von ihm an der Wand, wo drunter steht ‚Hey ich war’s.‘“
„Du sagst des Val‘. Ich schicke es gleich im Labor durch die Datenbank.“
„Ausgezeichnet, Annette.“
„Adam… ich muss jetzt gehen. Die Arbeit ruft: Valerie hat schon dreimal angerufen – die blöde Nuss.“, sie küsste ihn auf die noch geschlossenen Augen. Er packte sie an der Taille und zog sie noch mal runter zu sich und umschlang sie fest in seinen Armen.
„Du gehst nirgendwo hin!“, flüsterte er in ihr Ohr.
„Ich muss Adam! Es geht um Leben und Tod – das weißt du doch.“
Er scheuftze theatralisch: „Na gut aber nur, wenn du heute ein Leben rettest.“
„Ich gebe mein bestes.“, sie küsste ihn abermals ganz fest auf den Mund.
Olimpia rief Valerie von unterwegs zurück: „Was gibt es denn so wichtiges?“
„Dir auch einen guten Morgen Kommissarin Wolf.“
„Wenn du mich an meinem freien Vormittag dreimal anrufst ist er nicht mehr gut.“
„Bist du echt sauer? Hättest ja auch Lautlos stellen können.“
„Hätte, hätte … komm zur Sache!“, sie fuhr über eine gelbrote Ampel.
„Urlaub scheint dich nur aggressiv zu machen.“
„Valerie!“, sie schnaubte.
„Okay okay big sorry. Also heute Morgen wurde eine Leiche gefunden…“
„Maria Fischer?“, Limpa machte große Augen.
„Nein, nein jemand anderes, aber wieder eine junge Frau und der Tatort ist nicht weit von wo aus schon die erste Vermisste verschwunden ist. Ich habe das Gefühl die gehören zusammen.“
„Das mit dem sechsten Sinn ist meine Aufgabe.“
„So viel Zauberkraft färbt ab.“, sie merkte wie Olimpia sich entspannte.
„Warum nicht auch auf Gabriel? Der reitet sich andauernd in die Scheiße.“, sie grinste.
„Der ist immun dagegen.“, beide lachten laut.
„Sonst noch was Val‘?“
„Ja allerdings – DNA, Fuß- und Reifenspuren wurden gefunden.“
„Ach was! Da war er aber gar nicht vorsichtig.“
„Ich glaube er wurde gestört und ist abgehauen.“
Gabriel kam wieder ins Büro: „Ist sie dran?“
Valerie nickte. Er streckte die Hand nach dem Hörer aus: „Limpa, hey Gabi hier. Komm schnell Valerie macht mich fertig – ihr sechster Sinn ist noch nerviger als deiner. Und es war nicht meine Idee dich anzurufen.“
„Gabi du hast echt keine Ahnung.“, Valerie und Olimpia lachten, „Ich bin ja schon unterwegs.“
Er kratzte sich am Kopf, schaute verwirrt zu Valerie, die nur mit den Schultern zuckte und hämisch grinste, und ging wieder an seinen Schreibtisch.
Nachdem Kommissarin Wolf den Bericht zum Mordopfer durchgelesen hatte – war sie sich mit Valerie einig – Maria Fischer und die jetzt identifizierte Leiche: Saskia Klein gehörten zusammen.
„Wir müssen die erste Leiche finden! Vielleicht sind da auch Beweise dran, vielleicht arbeitet er einfach nicht sauber und es ist eine Schande, wenn wir ihn nicht finden und er weiter sein Unwesen treibt. An die Arbeit!“, verkündete Olimpia am nächsten Morgen bei der täglichen Besprechung.
Zeit verging, es wurde immer härter gearbeitet, jedoch verschwanden immer mehr junge Frauen in Köln – ohne das eine Leiche gefunden wurde. Sein Radius vergrößerte sich nicht – er fühlte sich im Zentrum von Köln anscheinend am wohlsten, er hatte anscheinend keine Angst entdeckt zu werden, er arbeitete direkt unter ihrer Nase und keiner konnte ihn schnappen. Es wurde Verstärkung aus Leverkusen und Bonn hinzugezogen, mittlerweile waren sieben Frauen verschwunden. Limpa war genervt – mehr als ein Monat lang arbeitete sie schon an dem Fall und zwar hatten sie beim zweiten Opfer Spuren gefunden, aber damit konnten sie absolut nichts anfangen. – Danach fanden sie nicht eine einzige Hautschuppe vom Täter. Wie stellte er das bloß an? Sie wussten nicht mal nach welchem Prinzip er seine Frauen wählte – wenn es überhaupt eins gab, sie wussten nicht ob es ein Motiv – außer Wahnsinn gab. Sie hofften so sehr, dass er ein üblicher Serienkiller war der eigentlich nur Aufmerksamkeit wollte, eigentlich nur geschnappt werden wollte und vielleicht sogar mit der Polizei spielte und Spuren versteckte – extra für sie. Gabriel sagte immer wieder: „Ihr habt alle zu viele Hollywoodfilme geguckt.“
Sie wussten gar nichts mehr – kurz überlegten sie, dass die Vermissten und die Leiche gar nicht zusammen gehörten und dass die Vermissten generell alle nicht zusammengehören und sie noch mal von null anfangen müssten, aber diese mitternächtliche Idee verwarfen sie schnell wieder.
„Eva was hast du denn? Ohh diese Verspannungen – gar nicht gut.“, sagte Adam beim Massieren, kurz nachdem Limpa von der Arbeit kam.
„Die anderen gehen heute noch was trinken – ich habe gesagt ich komme auch. Willst du nicht mitkommen?“
„Weich nicht meiner Frage aus.“, er massierte stärker.
„Du weißt doch ich darf nicht über meine Arbeit mit dir reden.“
„Die Vermissten? Das steht doch in jeder Zeitung.“
„Ja die Vermissten und mehr als in der Zeitung steht darf ich nicht sagen… und mehr haben wir auch gar nicht.“, nuschelte sie.
„Entspann dich ein Wochenende.“, er trat vor sie, „Sag die blöde Kneipe ab, bleib hier!“, er hockte sich hin und küsste ihren Hals.
Sie schloss die Augen: „Du hast recht. Wir sind alle so fertig wegen der Sache.“
Adam stand auf, ging mit einem Lächeln in die Küche und holte eine Flasche Wein.
„Du siehst so zufrieden aus?“, sie stand auf.
„Ich bin froh, dass du bleibst.“, er reichte ihr ein Glas.