Sie schaute ihrem Killer direkt in die, schon lange, toten Augen. Er wischte das Messer an einem Stofftaschentuch ab, während sein Opfer auf dem Boden verblutete. Er war aufgeregt. Es war sein erster Mord. Und er spürte, dass sein Durst gestillt wurde. Er grinste unbeholfen, wer hätte gedacht, dass so ein simpler, stumpfer Akt der Gewalt solche Gefühle auslösen würde. Er trug die Leiche zum Auto und fuhr tief in den Wald zum Fluss und machte am Ufer ein Feuer und verbrannte alle Beweise, sowie die Leiche. Das Feuer hypnotisierte ihn buchstäblich. Er war vollkommen im Rausch des Todes. Das Feuer wurde immer größer. Seine Euphorie war grenzenlos. Er wurde sofort süchtig, je mehr er an seine Tat dachte: „Das hat mir immer zu meinem Glück gefehlt.“
Er lächelte und suhlte sich noch eine ganze Weile im grellen Licht des Feuers. Die noch heiße Glut schob er im Morgengrauen, mit bloßen Händen ins Wasser, wusch Gesicht und Hände, fuhr nach Hause und legte sich schlafen.
Der Morgen von Kommissarin Olimpia Wolf ging los um 5.00 Uhr in der Früh mit einer kalten Dusche. Die Nacht war kurz und schwül, erdrückend, beinahe tropisch, wenn man die Mücken bedachte. Nach dem Frühstück begab sich Olimpia zur Arbeit.
„Du schon hier? Konntest bei der Hitze wohl auch nicht schlafen? Gibt’s was Neues?“
„Es sind jetzt schon 26 Grad und sonst eine Neue Vermisste.“, antwortete Valerie.
„Zeig mal her!“, sagte Olimpia und streckte die Hand aus.
„Hier“, die Kollegin gab ihr die Mappe, „Vermisste Maria Fischer, Alter 25, Studentin, WG-Mitbewohner erwartete sie zuhause, sie kam aber nie an.“
„Und sie kann nicht noch spontan in den Club und auf n‘ One-Night-Stand geblieben sein?“, Olimpia wollte offensichtlich witzig sein.
Valerie zog eine Braue hoch: „Nein sie schrieb ihm, dass sie die Bib verlässt und sich auf den Weg nach Hause macht.“
„Bib?“, Fragezeichen in Olimpias Gesicht.
„Bibliothek.“, Valerie grinste.
„Studenten.“, sie setzte sich an ihren Schreibtisch.
„Du bist einfach nicht mehr up-to-date. Na jedenfalls war sie schon auf dem Weg nach Hause – kam aber nie an. Für mich bitte auch ein Kaffee.“
„Ok das ist doch schon mal interessant.“
Valerie nahm den Kaffee dankend an und beobachtete Limpa (wie sie liebevoll von den älteren Polizisten genannt wurde) ganz unauffällig von der Seite, Valerie war noch nicht lange im Revier und fand es immer noch faszinierend, wenn Limpa’s Denkprozess startete. Das war die Ruhe vor dem Sturm, wenn die erste Spur schon zum Greifen nah war, wenn noch alles offen war, keine Verdächtigen, keine Leiche im Keller, also im Leichenschauhaus, alle Köpfe noch frisch und keiner ist verzweifelt. Valerie wartete den richtigen Moment ab um zu Fragen: „Was sagen sie Frau Kommissarin?“
„Das ist unser neuer Fall Valerie.“
„Was soll ich tun?“, sie klopfte mit den Fingern auf den Tisch.
„Geh zur Bibliothek, frag die Leute, sieh dich um, frag die Kioskbesitzer auf dem Weg, geh die Strecke bis zur WG ab – vielleicht findest du was. Wir treffen uns da.“
„Und was machst du bis dahin?“, fragte Olimpias Partner, Gabriel Carnot, beim Reinkommen.
„Ganz schön spät dran Gabi. Ich werde schon mal zur WG gehen und ihren Mitbewohner befragen.“
„Ich mach mich mal auf den Weg.“, Valerie schloss die Tür hinter sich.
„Haben wir eine Leiche?“, fragte Gabriel beim Kaffee einschütten.
„Noch nicht.“
„Was macht dich so sicher?“, er nahm einen Schluck.
„Hab so ein schlechtes Gefühl bei der Sache, wenn ich nicht schlafen kann, gibt’s morgens meistens keine guten Neuigkeiten.“
„Du solltest ein Buch über deinen sechsten Sinn schreiben und das dann verfilmen lassen – doppelt Kohle verstehste‘?“
„Mach ruhig Witze Gabi aber ich sag nur letztes Jahr Weihnachten – ich hab dir gesagt geh nicht mit den Jungs von der SEK aber du wolltest ja persönlich die Bösen fangen.“
„Wieso? Ist doch alles gut gegangen: du hast dir zum ersten Mal in deinem Leben Sorgen gemacht, wir waren was trinken und ich war für zwei Monate der Held mit der Schusswunde.“
„Gabi bitte an Kasse drei. Gabi bitte an Kasse drei. Der Papierkram wartet. Ich muss los.“, sie packte ihre Sachen zusammen und ging.
In der Zwischenzeit fuhr Valerie mit der Bahn zur Uni-Bücherei. Für ihren Geschmack waren zu viele Studenten draußen zum Bier trinken. Sie fühlte sich unmittelbar in ihre Studienzeit zurückversetzt. – Und das gab ihr kein gutes Gefühl. Für Valerie war die Studienzeit nicht so bereichernd und Lebensverändernd, obwohl Lebensverändernd vielleicht schon aber nicht so schön wie alle sagen. Mittlerweile waren es 30 Grad heiß und es war Freitag, somit konnte man es den Studenten auch nicht wirklich übelnehmen, wenn sie sich mal eine Pause am Vormittag gestatteten. Valeries Vermutungen wurden bestätigt – niemand der Mitarbeiter in der Bib hatte etwas gesehen. Sie blieb kurz im Eingang stehen und versetzte sich in das vermutliche Opfer: ‚Ich ging also aus der Bib, habe Bescheid gesagt, dass ich nach Hause komme und dann… dann bin ich rechts abgebogen, dann zweimal links, ließ mir die Haare rot färben, kaufte mir ein Kleid und verschwand mit meiner neuen Identität nach Panama. – klingt das nicht aufregend? Warum ist die Realität nie so aufregend? Valerie schaute sich noch mal draußen um, ihr fiel ein gutaussehender junger Student auf, in Jogginghose und T-Shirt, die Haare in einer großen Locke zur Seite gelegt, in einer Hand ein Bier und in der anderen das Smartphone.
„Guten Morgen, ich bin Valerie Topika von der Kripo Köln. Maria Fischer wird seit gestern Abend vermisst. Kennst du vielleicht jemanden der gestern um neun hier war?“
„Hallo ich bin Ben von der Uni Köln. Ich war gestern hier, mit n‘ paar Kumpels. Ich habe Maria gestern noch gesehen. Vermisst sagten sie?“, er schaute vermeintlich besorgt.
„Ja. Was ein Zufall! Was kannst du mir über gestern erzählen?“, Valerie war angeekelt von seinem geheuchelten Interesse.
„Ich würde sagen es war Schicksal Officer Kommissarin.“, er zwinkerte ihr zu.
„Ich darf doch wohl sehr bitten!“, sie holte ihr Notizbuch raus, „Also Ben von der Uni Köln, was kannst du mir zu Maria Fischer sagen?“
„Wie ich gesagt habe, gestern war ich hier mit n‘ paar Jungs und sie kam so gegen neun aus der Bib und ging in Richtung WG. Ich kenne sie vom Lernen, sie hat mir einmal bei einer Klausur geholfen.“, kurze Pause, „Ich habe bestanden, falls sie das interessiert.“
„Ist dir sonst noch was aufgefallen? Jede Kleinigkeit könnte wichtig sein!“
„Was schreiben sie da eigentlich die ganze Zeit auf?“, er rückte näher und rülpste, „Schulz“, kurzes Lachen, „Sorry, kommt nicht wieder vor.“
„Ekelhaft.“, sagte sie angewidert, „Weißt du noch was oder nicht?“
„Wenn sie mir ihre Nummer geben, kann ich anrufen falls mir noch was einfällt.“, er zwinkerte ihr zu.
„Hier ist die Nummer des Reviers.“, sie gab ihm eine Visitenkarte, „Du sagst dann für Valerie Topika. Kannst du dir das merken?“, sagte sie Streng und schaute ihn direkt an.
„Ja Ma‘am.“, er kratze sich am Kopf.
Sie machte auf dem Absatz kehrt und machte sich auf den Weg zur WG der Vermissten.
Außerhalb der Stadt wurde er wach. Er öffnete die Augen, die Sonne blendete ihn, er blinzelte und erinnerte sich an jede Sekunde der letzten Nacht. Es war besser als jeder Sex. Sein Körper kribbelte immer noch beim Gedanken an sein hübsches Opfer, wie sie ihn angestarrt hatte bei ihrem letzten Atemzug. Er würde schon bald wieder auf die Jagd gehen. Er wollte sich immer so fühlen wie jetzt – unbesiegbar.