preloder

Sie – Kapitel 1

Sie war dünn und dürr. Sie hatte die Arme verschränkt. Sie rauchte. Sie weinte und ihre Schminke war verschmiert. Es war kalt und Nacht und die Sterne leuchteten über ihr. Plötzlich schrie sie und schlug wild um sich: „Lass mich los.“, rief sie immer wieder – aber da war niemand. Sie stand da nur in T-Shirt und Jeans. Die Zigarette fiel auf den Boden. „Scheiße“, sagte sie. Und zündete sich eine neue an. Sie atmete tief durch und setzte sich auf die Bank. Sie lehnte sich zurück und rauchte und Tränen liefen über ihr Gesicht. Ihr Kopf dröhnte, da waren nur noch Emotionen. Ihre Wangen waren gerötet. Sie rauchte weiter. Sie fing vor Kälte an zu zittern. Ein alter Herr mit Hut ging mit seinem Hund spazieren, setzte sich neben sie, blieb kurz still und fragte sie dann schließlich: „Was hast du mein Kind?“

Sie schreckte auf und schaute den Mann mit Hut an. Musterte ihn ganz genau – von unten nach oben. Lehnte sich nach vorne und stütze ihren Kopf in ihren Händen ab. Sie schaute ihn von der Seite an und blickte wieder auf den Boden, nahm einen letzten Zug und drückte die Zigarette, mit den Fingern, im Kies, aus und legte sich, dann ganz mit dem Oberkörper auf ihre Beine und ließ die Arme nach unten baumeln.

„Was kümmert sie das?“, fragte sie ohne ihn anzusehen.

„Du sitzt hier alleine und hast geweint und da dachte ich mir es geht dir bestimmt nicht gut und…“

„… und da haben sie gedacht, sie können mich trösten?“, unterbrach sie ihn.

„Bist du zu allen so nett, die dir helfen wollen?“

„Kann ihnen doch egal sein, wie nett ich zu anderen bin.“

„Du machst es einem nicht leicht dir zu helfen.“

„Ich habe auch nicht um Hilfe gebeten.“

„Chapeau. Soll ich gehen?“, der Mann sah sie von der Seite an.

Sie richtete sich wieder auf und lehnte sich nach hinten und musterte den Mann abermals. Sie blickten sich direkt an.

„Soll ich bleiben?“, sagte er ganz freundlich und schien sich anscheinend nichts daraus zu machen, dass sie so abweisend war. Der Hund legte sich flach auf den Boden, die Hinterfüße von sich gestreckt, neben sein Herrchen. Sie atmete laut auf.

„Wir müssen auch nicht reden. Ich kann hier auch einfach sitzen und dir Gesellschaft leisten.“

„Warum tun sie das?“, sie war genervt aber auch verwirrt von so viel Herzlichkeit.

„Ich hatte früher eine Tochter, aber sie ist leider gestorben und ich vermisse sie sehr.“

„Und dann dachten sie ich schütte ihnen mein Herz aus? – Wie eine Tochter ihrem Vater?“

„Vielleicht.“

„Was ist mit ihrer Frau?“

„Was soll mit ihr sein?“

„Wo ist sie?“, sie zog eine Braue hoch.

„Zuhause.“

„Haben sie noch andere Kinder?“

„Nein.“, er blieb ganz ruhig und ließ die unangenehmen Fragen über sich ergehen.

„Wegen ihrer Tochter tut es mir leid.“

„Sie war oft traurig. Wir wollten nur, dass sie glücklich wird.“, er brachte ein kleines Lächeln zu Stande, man sah, dass es ihm schwerfiel.

Der Hund kommt nur noch sehr schwermütig auf die Beine, sie ließ ihn an ihrer Hand schnüffeln und streichelte ihn.

„Alle Eltern wollen, dass ihre Kinder glücklich werden, bloß wissen wie sie oft nicht wie.“, sagte sie und starrte in die leere schwarze Nacht. Der Mann nickte zustimmend. Kein Windhauch war zu spüren, bis auf ein paar Laternen im Park und den Sternen gab es kein Licht.

„Macht sich ihre Frau keine Sorgen, wenn sie so spät noch unterwegs sind?“

„Ich bin ja nicht alleine – im Gegensatz zu dir. Du solltest nicht mehr lange hier sitzen bleiben. Um dich machen sich bestimmt viele Sorgen. Ich muss jetzt gehen – Sir ist müde.“

„Ihr Hund heißt Sir? Im Ernst?“, sie grinste ohne es zu merken.

„Mein Hund ist ein Sir.“, er lachte und ging.

„Gute Nacht.“, rief sie ihm nach.

„Pass auf dich auf.“, zum Abschied winkte er, drehte sich aber nicht mehr um.

Sie wollte sich noch eine Zigarette anmachen, hielt kurz inne, biss sich auf die Lippe und schüttelte den Kopf. Sie steckte sich die Zigarette in dem Mund, als genau in diesem Moment ihr Handy klingelte. Eine unbekannte Nummer rief an.

„Hallo wer ist da?“, sagte sie und verfluchte sich gleichzeitig rangegangen zu sein.

„Hi ich bin‘s.“, schon nach dem ersten Wort wusste sie wer am Hörer war – seine Stimme würde sie unter Millionen erkennen.

„Was soll die fremde Nummer?“

„Mein Guthaben ist aufgebraucht, da habe ich den Barkeeper gefragt ob…“

„…versteh schon.“

„Wo bist du? Wir suchen dich.“, er hielt sich ein Ohr zu, damit er sie besser hören konnte.

Sie atmete den Rauch aus: „Im Park.“

„Warum denn im Park?“

„Ich brauchte frische Luft.“

„Hättest ruhig mal Bescheid sagen können.“

Sie verdrehte die Augen.

„Egal. Kommst du wieder?“, fragte er drängend.

„Nein.“, antwortete sie bestimmt.

„Wieso? Geht es dir nicht gut?“

„Doch, doch.“, schnaubte sie halbherzig ins Telefon, mit den Gedanken schon ganz wo anders.

„Aber?“

„Aber ich möchte einfach nicht mehr in den Club zurückkommen.“, nuschelte sie ungeduldig mit dem Wunsch das Telefonat so schnell wie möglich zu beenden.

„Ok wie du willst. Wann sehen wir uns wieder?“

„Weiß nicht.“

Er seufzte ins Handy: „Ich ruf dich morgen an.“, er merkte, dass sie nicht reden wollte.

„Gute Nacht.“

Irgendwie war sie nicht mehr so euphorisch wie gerade eben noch. Sie stand auf und ging auf und ab und dachte nach und rauchte.

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