Es war hell, beinahe blendend. Dennoch schien sie Sonne nicht. Sie war versteckt hinter weißen Wolken, die so aussahen wie der Rauch von flüssigem Stickstoff, als hätte Mutter Natur mit einem Chemiebaukasten experimentiert und hinter ihr stand eine Neonlampe. Das Wetter war merkwürdig, beinahe mild, fast angenehm. Dennoch lag noch etwas Schnee. Nicht mehr wirklich viel, die Straßen waren schon alle wieder blitzeblank, aber da wo die Schneeschieber große Haufen gemacht haben kann man immer noch hochklettern und wieder runterrutschen. Diesen Winter hatte es viel Schnee gegeben das ist jetzt noch der Rest, obwohl der Winter ja noch nicht vorbei ist, vielleicht kommt noch mehr. Die Bäume im Garten waren kahl und dunkel, sahen ziemlich einsam aus in dieser weißen Umgebung, obwohl sie nicht alleine waren. Außerdem gab es im Garten noch einen kleinen Teich, er war so klein man hätte Pfütze sagen können, entdeckte man nicht die Fische die durch das Wasser schimmerten, doch es waren keine echten Fische nur Plasikfigürchen. Um den Teich waren ein paar Büsche platziert. Vom Haus aus führte eine Terrasse, auf der Tisch und Stühle standen, zum Garten. Das Highlight war jedoch die Schaukel auf der zwei Kinder gleichzeitig schaukeln konnten. Wenn man sich den Garten im Ganzen anschaut fällt einem nichts auf, ein durchschnittlicher Garten einer durchschnittlichen Familie. An diesem hellen, weißen Januar Morgen spielten zwei Freunde mit dem Schnee im Garten. Es war Sonntag und alle waren zuhause und genossen den freien Tag.
Die Freundschaft der beiden begann schon am ersten Tag des Kindergartens: Im August als der Kindergarten nach zwei Wochen Sommerpause wieder öffnete, kamen viele neue Kinder dazu, damit sich alle besser kennen lernten, gab es ein kleines Sommerfest auf dem Spielplatz, vor dem Kindergarten. Alle Kinder, Eltern und Erzieher waren da es wurde gegrillt, gegessen, getrunken, gespielt und gelacht. Doch zwei Kindern schien der Trubel zu viel, sie saßen abseits vom Fest im Sandkasten aber nicht zusammen. Nein, jeder für sich auf der gegenüberliegenden Seite vom jeweils anderem. Es war ein Junge mit kurzen blonden Haaren, einem Poloshirt, Shorts in seiner Lieblingsfarbe- blau und Sandalen in die die ganze Zeit Sand kam und zwischen seinen Zehen kitzelte. Und ein Mädchen, sie hatte einen großen Hut auf, unter dem goldene Locken zusehen waren, sie trug ein zum Hut passendes Kleidchen und unter ihrem Sandalen trug sie Söckchen, so dass sie der Sand nicht weiter störte. Sie saßen stillschweigend da und klopften mit der Hand auf den Sand, doch ließen sich nicht einen Augenblick aus den Augen.
Zurück im Garten waren die beiden nun schon sechs Jahre alt und würden im Sommer zur Schule gehen. Sie saßen nebeneinander und bauten den Schneemann zu Ende den sie gestern angefangen hatten. Was sich als nicht so einfach herausstellte, da der Schnee nicht mehr so locker und leicht war, sondern träge und schwer und eigentlich war auch kaum genug Schnee für einen ordentlich großen Schneemann da. Doch das machte den Kindern nichts aus, sie hatten trotzdem viel Spaß. Sie formten nach und nach erst den Bauch und den Kopf, verpassten ihm Hut, Nase, Knöpfe, Augen, Mund, Äste als Arme und ein Schal um den Hals.
Sie fühlten sich wie Erschaffer, aus gefrorenem Wasser erschufen sie etwas neues, beinahe lebendiges, fast Menschliches. Wenn man die beiden fragte was sie später mal werden wollen antworteten sie immer gleich: „Ich weiß nicht wie das heißt aber irgendwas Neues machen, neues bauen.“ Man fragte ob sie Erfinder werden wollen, sie überlegen, schauen sich gegenseitig an und sagen: „Ja vielleicht sowas.“
Der Junge sprang auf und rief: „Ja Helena fertig! Fertig! Ich rufe Mama!“ So lief er ins Haus, um seine Mutter zu rufen, damit sie das Werk der beiden bewundern kann. In Hausschuhen tapste die Mutter vom Jungen über die Terrasse und blieb am Rand stehen. „Leander was ist denn?“
„Mama schau ein Schneemann! Haben Helena und ich ganz alleine gemacht.“
„Mit dem Schal von Papa!“, sie lachte.
„Ja, Papa ist zuhause vor dem Kamin, der braucht keinen Schal und der Schneemann ist draußen und friert.“ Helena nickte eifrig, als würde sie Leanders Worte bestärken wollen.
„Ja das stimmt natürlich. Ihr Lieben wollt ihr nicht rein und heiße Schokolade trinken? Langsam wird es dunkel und Helena muss in einer Stunde nach Hause und du willst ja nicht krank werden stimmt’s?“, sie schaute bei den letzten Worten Helena an.
Die Sonne knallte auf das Sommerfest und Leander wünschte sich auch so einen Hut wie von Helena. Sie sah genauso groß wie er aus, also dachte er sie muss auch neu sein. „Wie heißt du?“, fragte sie.
Sie grinst und scheint neugierig und munter. „Leander und du?“, antwortete er vorsichtig.
„Leander was für ein komischer Name. Ich bin Helena.“, sie grinste immer noch und blickte ihn direkt an.
„Helena ist auch ein komischer Name.“, Leander war gekränkt, er dachte zuerst, dass sie nett war. Er machte ein ganz zorniges Gesicht und dreht sich halb weg. Helena lachte: „Ja mein Name ist auch komisch, genau wie du. Sag mal Leander hast du nicht Durst? Es ist voll heiß und meine Mama hat Limonade gemacht.“ Er dreht sich ein klein wenig zurück und flüstert: „Limonade?“
„Ja, ja! Selbstgemacht! Komm! Komm, Leander!“
„Heiße Schokolade? Helena willst du heiße Schokolade?“
„Warum nicht?!“
„Ich will lieber Eis.“, sagte Leander, Helena leckte sich die Lippen, schaute dann aber zu Leanders Mutter die eine Augenbraue vor Überraschung hob. Dann räusperte sich Helena lachte verlegen und sagte in einem übertrieben gespielten Ton: „Eis? Ist das dein ernst? Es ist doch so kalt. Eis im Januar. Du spinnst doch!“, und schaute dabei die ganze Zeit Leanders Mutter an.
„Ja Helena hat recht“, sie musste schmunzeln, „es gibt kein Eis. Wollt ihr jetzt rein oder nicht?“
„Nein Mama wir spielen noch draußen.“
Keine fünf Minuten später kam Leander mit einem Plastikbehälter voller Vanilleeis und zwei Löffeln wieder. Sie setzten sich auf die Schaukel und aßen abwechselnd das Eis. „Du hast aber geflunkert Helena! Du wolltest das Eis genauso wie ich!“, Leander warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu und steckte sich einen vollen Löffel in den Mund. Sie zuckte mit den Schulten: „Und? Deine Mama soll nicht schlecht von mir denken.“
„Quatsch.“
„Es ist schön hier bei euch im Garten.“, bemerkte Helena nach einer Weile.
„Findest du?“
„Ja, es ist ganz hübsch.“ Sie aßen weiter.
„Schmeckt das Eis?“
„Ja und besonders im Januar.“, beide lachten.
„Was wünscht du dir zum Geburtstag Helena? Gestern habe ich die Einladung bekommen.“
„Oh das ist gut. Hm… Ich wünsche mir… ich wünsche mir, dass wir immer Freunde bleiben und dass… dass es immer Januar bleibt.“
„Dann gibt es nämlich immer Eis im Januar.“
…für dich Leander.