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Es geht darum was du daraus machst – 2. Kapitel

Solange ich noch Sturmfrei hatte und der Freitag noch nicht ganz zu Ende war, nutze ich doch meine Gelegenheit und zog um die Häuser, wie man das so schön sagt. Ich lackierte mir meine Nägel in einem feurigen rot, lockte meine blonden Haare, rasierte meine Beine, schminkte mich nach Monaten mal wieder ordentlich inklusive rote Lippen, zog ein verboten enges schwarzes knielanges Kleid an, goldene Ohrringe, Clutch und das wichtigste: Spitze rote hohe extrem unbequeme High-Heels. Ich lächelte mich selbst im Spiegel an und fühlte mich gut. Natürlich musste es immer noch regnen. Es ist schon ein wenig komisch alleine abends etwas zu unternehmen aber mal sehen wie lange ich wirklich alleine bleibe.

Ich ging in meine Lieblingsbar wo mich der Barkeeper schon am Klang meiner Schuhe erkannte und ich nicht mal bei der Theke angekommen sein musste damit mein Drink dort schon stand – Gin Tonic. Vielleicht habe ich es mit dem Outfit etwas übertrieben aber ich wollte auffallen. „Tanja! Hab dich ja schon Ewigkeiten nicht mehr hier gesehen. Du siehst mega aus!“, Rick, der Barkeeper.

„Hey Rick, schön dich zu sehen. Ja… ich… ich hatte viel um die Ohren“, ich atmete laut aus, „kompliziert…keine Ahnung.“

„Verstehe“, er musterte mich aufmerksam, „aber nicht so kompliziert, dass Alkohol es nicht lösen kann oder?“, er grinst liebevoll und hält mir die Flasche hin, „Heute vielleicht etwas Stärkeres? Zum Beispiel Wodka?“

„Rick du bist der beste! Genau das brauche ich.“

Ich lachte und er schüttete uns zwei Pinnchen Wodka ein und wir tranken, ich schob mir schnell ein Stück Zitrone in den Mund. Nach ein paar Runden und einigen netten Gesprächen mit den anderen Stammkunden wurde ich lockerer, was Rick merkte und versuchte mit mir zu reden: „Sag mal Tanja, wo warst du die letzten Wochen? Ich habe übrigens Eliajh ganz schön oft hier gesehen. Alleine. Hat sich immer die Kante gegeben und erwartungsvoll zur Tür geschaut. Hat sich nach dir erkundigt, tja aber ich konnte ihm auch nicht helfen, weil du dich ja nicht blicken lässt.“ Ich schaute ihn an, er blickte mich mitfühlend an und schüttelte den Kopf. „Gabriel…er hat mich hier in der Bar sogar angerufen und gefragt ob du da bist, weil er dich nicht erreichen konnte. Nicht nur einmal. Mit Gabriel hätte es so schön werden können Tanja… Du hast ihm auch nichts erklärt oder? Mensch… Ich habe auch keine Ahnung es tut mir so leid aber ich bin so sauer. Ja sauer. Schau mich nicht so an! Du kannst uns das doch nicht antun. Einfach verschwinden.“, selbst wenn er wie er sagt sauer ist blieb er ganz ruhig und sprach sanft zu mir.

„Rick! Heute sollte eigentlich mein Comeback werden. Ich wollte mir keine Predigt von dir anhören. Ich bin zum Feiern hier. Wenn du es unbedingt wissen willst – ich war zuhause. Genau, einfach zuhause hab mich eingesperrt und mit niemanden kommuniziert. Ich hatte Probleme mit mir selbst. Geht dich nichts an verdammt nochmal!“, ich wurde lauter als ich wollte.

„Du brauchst nicht zu schreien Tanja, ich stehe direkt vor dir.“

„Ach halt doch die Fresse“, ich drehte mich um und machte einen filmreifen Abgang, die Leute grölten und applaudierten mir aber nur, weil sie nicht wussten worum es ging – und natürlich, weil sie betrunken waren. Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen. Ich rief mir ein Taxi und wollte einfach nachhause. Obwohl da war ich schon die ganze Zeit, langsam wird es Zeit für Abwechslung. Das Taxi hielt vor mir an, ich machte die Tür auf: „Hab’s mir anders überlegt“, es fuhr weiter, der Fahrer schüttelt nur den Kopf. Zufriedenen und mit geöffnetem Regenschirm ging ich die Straße entlang.

Im Leben geht es nicht darum was dir passiert, sondern wie du damit umgehst – was du daraus machst. Mir ist nichts Schönes passiert, was spielt für die Geschichte keine Rolle, da kann jeder rein interpretieren was er will. Das Problem ist wie ich damit umgehe. Ich weiß und ihr wisst, dass meine Freunde recht haben. Es ist nur so verdammt schwer stark zu sein, wenn alle es von dir erwarten, weil du es bisher immer warst, aber du einfach nicht mehr stark sein kannst. Irgendwann ist die Kapazität ausgeschöpft und man will einmal schwach sein. Leute sind dann völlig perplex, weil du immer die starke Frau warst und den anderen immer in einer schwachen Minute in den Arsch getreten hast, weil du es immer warst die über Weicheier gelacht und sie nie verstanden hast. Jetzt bin ich selber eins. Weich. Schwach. Kaputt.

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