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Es geht darum was du daraus machst – 1. Kapitel

Ich schrie so laut ich konnte. Nicht unbedingt, weil ich es wollte, sondern der Schrei kam einfach aus mir heraus, tief aus mir heraus. Große Tränen liefen über mein Gesicht, eine nach der anderen. Sie liefen mir das Gesicht runter, bis zum Kinn und tropften runter auf mein T-Shirt. Ich schluchzte laut auf und holte mir ein Taschentuch. Ich konnte mich einfach nicht beruhigen, irgendwann kauerte ich auf dem Boden und weinte ohne Tränen. Im Hintergrund lief Musik. Regen prasselte an die Fenster. Das Telefon klingelte. Wie im Film. Ich hörte auf, konnte das Geräusch im ersten Moment nicht zuordnen bis ich dann aufgestanden bin und verstanden habe, dass es das Telefon war. Bin ich überhaupt in der Lage jetzt ein Gespräch entgegen zu nehmen? Nicht wirklich…. Aber der Anrufer war hartnäckig und probierte es direkt ein zweites Mal. Muss wohl dringend sein. Ich brachte nur ein krächzendes „Ja“ raus. Ich räusperte mich und hörte wie eine ganz leise Stimme anfing zu reden. „Ich höre sie schlecht. Reden sie lauter.“, sagte ich schließlich.

„Ich bin es Mila. Ich wollte endlich deine Stimme wieder hören und fragen wie es dir geht. Ich mach mir Sorgen. Du meldest dich gar nicht.“, sie räusperte sich auch.

Ich seufze: „Mir geht es gut. Alles bestens. Ich brauchte nur etwas Zeit. Ich denke, dass ist verständlich oder? Ich komme am Montag wieder in den Laden.“, man hörte förmlich wie Mila überlegte was ich gesagt habe und was sie darauf antworten sollte, „Mila ehrlich, alles in bester Ordnung. Du kennst mich doch, ich bleibe nie lange am Boden liegen.“

„Weißt du wie ironisch das klingt, wenn man bedenkt, dass du schon zwei Wochen am Boden liegst? Tanja das sieht dir gar nicht ähnlich, schon zwei Wochen sperrst du dich in unserer Wohnung ein und redest mit niemanden. Du hast sogar den Geburtstag deines Bruders vergessen.“

„Wie vergessen? Wann denn?“. Sie atmet ganz tief ein: „Gestern.“

Aus meinem Mund kam nur ein kaum hörbares „Oh.“

Mila ist meine beste Freundin und Geschäftspartnerin, zusammen haben wir ein Saftladen im wahrsten Sinne des Wortes, ein typisches Start-Up, wie so viele in letzter Zeit. Viele Menschen wollen jetzt selbstständig werden und ihr eigenes ausgefallenes Unternehmen gründen. Mila und ich sind schon drei Jahre dabei, es läuft überraschend gut. Wir leben in Berlin. Wir leben unseren Traum in Berlin. Könnte nicht besser laufen.

„Genau – Oh. Mehr hast du nicht zu sagen? Was machst du eigentlich den ganzen Tag? Gabriel hat mich angerufen und gefragt wo du bist, weil dein scheiß Handy aus ist.“, ich schaue auf den Esszimmertisch, wo mein Handy liegt, „Er hat es sogar ganz Old-School mit einer Email probiert aber du antwortest ja nicht. Was muss ich für ein Glück haben, dass dein blödes Telefon gerade nicht aus ist…“

Während sie weiter auf mich einredete gehe ich zu meinem Laptop und checke meine Mails, was ich wirklich schon zwei Wochen nicht gemacht habe. Der Ungelesen-Order läuft über. Geschäftliches, Spam, Freunde, das Übliche.

„Tanja!“, entriss mich Mila wieder aus meinen Gedanken, „Hörst du mir überhaupt noch zu? Erinnerst du dich noch an Frau Eras unsere älteste Stammkundin und gute Freundin. Erinnerst du dich noch an diese reizende Frau?“

„Selbstverständlich. Was ist das für eine Frage? Ich könnte Frau Eras nie vergessen.“, meine Stimme versagte beim letzten Wort.

„Hast du dann etwa vergessen, dass Frau Eras ein schwaches Herz hat? Sie macht sich schreckliche Sorgen. Als sie erfahren hat, dass es dir so schlecht geht ist sie fast ins Krankenhaus gekommen. Sie hat Angst um dich Tanja. Hörst du? Leute sorgen sich um dich! Viele Leute! Frau Eras ist nicht die einzige. Alle Mitarbeiter vermissen die wahre Chefin. Ich kann dich nicht ersetzen. Sogar dein Ex Eliajh hat sich bei mir gemeldet, weil er dich lange nicht mehr im Fitnessstudio gesehen hat. Sogar das Arschloch macht sich Sorgen um seine liebste Kundin.“, sie lacht bitter, „Tanja sag doch was Mensch!“.

„Ja ist ja schon gut. Ich merke Menschen sorgen sich und worauf willst du hinaus?“

„Worauf ich verdammte Scheiße hinauswill? Ist das dein Ernst?“, sie lachte laut, „Tanja wir wollen dir alle helfen! Bitte geh den nächsten Schritt und nimm die Hilfe an und komm wieder in die normale Welt, wieder zurück zu uns. Wir brauchen dich. Du brauchst uns auch. Wir sind da für dich, immer. Und bist aber nicht da. Vielleicht denkst du es wäre schwach dich uns zu öffnen, dann kann ich dir sagen, dass das Bullshit ist. Im Gegenteil zeugt es von Stärke, wenn man sich in schweren Zeiten öffnen kann. Das ist vollkommen normal, dass man durch schwere Zeiten geht und Freunde und Familie einen daraus holen. Nur du musst es auch wollen. Verstehst du? Und besonders will ich in unsere Wohnung zurück, sie gehört nicht nur dir. Ich kann nicht ewig bei meinen Eltern wohnen. Ich bin nicht mehr 18. Du hattest deine Zeit alleine.“

„Ja natürlich du kannst wieder einziehen. Es war wirklich unendlich toll von dir, dass du das gemacht hast für mich. Das hat mir echt geholfen.“

„Na wenigstens ein Anfang. Montag sagst du kannst du wieder arbeiten? Sicher? Bist du wieder soweit?“

„Ja ich schaffe das.“

„Sehr gut, also das heißt noch ein paar Tage durchhalten. Ich komme dann morgen wieder in die Wohnung. Wenn du noch einmal sowas abziehst werde ich meinen Schlüssel für die Wohnung benutzen und dir jeglichen Unfug aus dem Kopf prügeln. Das war das letzte Mal, dass ich so nett war.“

„Danke Mila. Bis Morgen“.

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